Warum die Eile? Oder: Der Konstanzer Gemeinderat auf der Überholspur

20131222-230408.jpgDie Verhandlungen laufen: So schnell wie möglich will der Gemeinderat und die Stadtverwaltung den Vertrag mit Theaterintendant Christoph Nix verlängern. Dass schon im Mai ein neuer Gemeinderat gewählt wird, der dabei auch ein Wörtchen mitreden sollte, scheint keinen zu interessieren. Aus demokratischer Perspektive ein Unding, meint Jan Obracaj, der an der Uni Konstanz zur Demokratietheorie promoviert

„Eile mit Weile. Dieser Satz steht mir ins Herz geschrieben.“ Vielleicht sollten sich die Konstanzer StadträtInnen diese Einsicht von Mark Twain wenn schon nicht in ihr Herz, so doch auf ihre Sitzungsunterlagen schreiben. Seit Dezember verhandelt die Stadtverwaltung auf Beschluss des Gemeinderates mit dem Intendanten des Konstanzer Stadttheaters Christoph Nix (s. Foto) über die Konditionen einer Vertragsverlängerung. Voraussichtlich soll Nix´ Anstellung als geschäftsführender und künstlerischer Leiter des Theaters, dessen aktueller Vertrag bis zum Ende der Spielzeit im Sommer 2016 läuft, bis 2019 verlängert werden. Nun sind lange Vertragslaufzeiten für Führungskräfte (im Gegensatz zu einfachen Angestellten) in der öffentlich finanzierten Kunst und Kultur keine Seltenheit, ebenso wenig lange Vorlaufzeiten für Vertragsverlängerungen. Doch im Konstanzer Fall überstrapaziert dieses langfristige Denken die lokale Demokratie.

Eine funktionierende Demokratie ist nicht nur auf die korrekte Beteiligung der gewählten Volksvertreter an kollektiv verbindlichen Entscheidungen verpflichtet. Sie sollte auch ein Gespür für politische Gestaltungsspielräume und Alternativmöglichkeiten entwickeln und die personellen Zusammenhänge zwischen Entscheidern und Verantwortlichen berücksichtigen. Kurz: Wen es betrifft, der sollte mitentscheiden können.

Genau dies scheint im Fall der möglichen Vertragsverlängerung mit Christoph Nix nicht der Fall zu sein. Denn der Gemeinderat wird zwar über die Zukunft der Intendanz in Konstanz entscheiden, aber er wird in seiner jetzigen personellen Zusammensetzung ab Mai 2014 nicht mehr betroffen sein. Denn dann wird in Konstanz ein neuer Gemeinderat gewählt.

Aus einer demokratiesensiblen Perspektive wäre es deshalb angemessen, wenn die Entscheidung über die Vertragsverlängerung von Intendant Nix dem neu zu konstituierenden Gemeinderat überlassen wird. Da eine Amtszeit des Intendanten Nix über 2016 hinaus in die kommende Wahlperiode fällt, sollte auch im neuen Gemeinderat Entscheidungsgewalt und Verantwortung zusammenfallen. Doch der aktuelle Gemeinderat, der in nicht einmal sechs Monaten seine letzte Sitzung haben wird, will offensichtlich Fakten schaffen, auf die dann der neue Gemeinderat keinerlei Einfluss mehr haben wird. Dessen Gestaltungsspielraum für eine der wichtigsten kulturellen Institutionen der Stadt wäre damit empfindlich eingeschränkt.

In diesem Zusammenhang stellt sich doch die Frage: Warum die Eile des scheidenden Gemeinderates in der Angelegenheit der Intendanzverlängerung? Nun ist es kein Geheimnis, dass die Arbeit des Intendanten Christoph Nix in der Bürgervertretung und in der Stadtverwaltung großen Rückhalt erfährt – übrigens im Gegensatz zur Heimatzeitung. 2008 entschied der Gemeinderat einstimmig für eine erste Vertragsverlängerung – damals übrigens gerade mal 1,5 Jahre vor dem Vertragsende. Es ist also nicht überraschend, dass weder Nix, der offen an einer Vertragsverlängerung interessiert ist, noch die Verwaltung und Teile des Gemeinderates die politischen Unwägbarkeiten der kommenden Kommunalwahl abwarten wollen.

Denn Wahlen in Demokratien ist es nun mal eigen, dass man ihr Ergebnis erst nach der Abstimmung kennt. Und so es ist nicht abzusehen, ob und wenn ja, wie sich die politischen Verhältnisse im Stadtparlament nach der kommenden Wahl verändern werden. Auch ist unklar, ob sich der Rückhalt für Christoph Nix auch im neuen Gemeinderat finden wird. Denn nach jeder Wahl zeigte sich die Konstanzer Bürgervertretung mit einem neuen Gesicht, immerhin wurden 2005 über ein Drittel und 2009 fast ein Viertel aller Ratsplätze neu besetzt.

Wie könnte also eine mögliche Alternative im Prozess der Verlängerungsverhandlungen mit Christoph Nix aussehen? Es bietet sich eine attraktive Lösung an, die nicht nur dem neuen Gemeinderat die Entscheidungsgewalt überlässt, sondern auch den drohend drögen Wahlkampf im Frühjahr 2014 aufpeppen könnte. Zurzeit handeln Stadtverwaltung und Christoph Nix die Konditionen über einen neuen Vertrag aus. Dieser muss letztendlich vom Gemeinderat und dessen Kulturausschuss angenommen werden. Anstatt nun schon im Frühjahr eine Entscheidung zu forcieren, könnte sie dem neuen Gemeinderat überlassen werden. Dies böte den Bürgern die Möglichkeit, sich indirekt über die Wahl ihrer Vertreter im Stadtparlament in der Intendantenfrage zu positionieren.

Der neue Gemeinderat wird sich Anfang Juli zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenfinden. Erfahrungsgemäß werden zwei Wochen später die Ausschüsse besetzt, also auch der zuständige Kulturausschuss. Ende Juli, Anfang August könnte dann über den neuen Vertrag mit Christoph Nix entschieden werden. Bis dahin sind es noch fast zwei Jahre bis zum Ende des laufenden Vertrages – eine Zeitspanne, die sowohl für die Stadt und ihren kulturellen Großbaustellen Konziljubiläum und Philharmonie als auch für Christoph Nix akzeptabel sein sollte. In einem afrikanischem Sprichwort – bekanntermaßen ein Kontinent, der Christoph Nix besonders am Herzen liegt – heißt es: „Eile pflegt ein schwächliches Kind zu gebären.“

Autor: Jan Obracaj