Was geht uns der „Fluglärm“ an?

In Friedrichshafen fliegen die Düsenflugzeuge nach dem Start in Tieffliegerhöhe (ca. 300 m) über die Wohngebiete, der Flughafen Zürich ist in der dicht besiedelten Agglomeration, auf der Schwäbischen Alb fliegen Düsenjäger der Bundeswehr im Tiefflug über die Dörfer und die Wanderheime hinweg – und Konstanz diskutiert über „Fluglärm“. Was ist hier eigentlich los? Ist das noch Sommerloch oder was?

Hören wir einmal genau hin, welche Geräusche tatsächlich in Konstanz vom Himmel kommen: Ein oder zweimal am Tag (im Sommer) fliegt der Zeppelin NT über die Stadt – der charakteristische Sound des Motors ist gut zu hören. Im Industriegebiet und in Wollmatingen hört man die kleinen Flieger starten und landen. Und ab und zu, wenn man nicht an einer vielbefahrenen Straße ist, hört man tatsächlich ein Flugzeug hoch oben, vielleicht so laut wie ein Seehas in 100 Meter Entfernung. Und deswegen so ein Aufstand? Was für eine glückliche Stadt, die keine anderen Probleme hat, als Flugzeuge, die ab und zu in drei bis vier Kilometer Höhe am Himmel fliegen!

Natürlich ist Konstanz nicht isoliert an „Badens letztem Zipfele“, wie die Konstanzer so kokett sagen. Der Landkreis Konstanz geht ja weit nach Westen, und Gemeinden wie Gailingen und Gottmadingen sind etwa auf halber Strecke zwischen Konstanz und den am stärksten betroffenen deutschen Orten im Klettgau. Die Leute dort brauchen politische Unterstützung, damit sich der Fluglärm dort nicht so konzentriert. Aber sie werden heimlich darüber lachen, wenn sie von unseren „Fluglärm-Problemen“ hören.

Und was ist jetzt das aktuelle Problem mit dem Staatsvertrag? Nach dem aktuellen Stand sollen mehr Flugzeuge über den westlichen Bodensee fliegen, und sie sollen bis zu ein Drittel tiefer fliegen, also etwa statt 3600 Meter nur noch 2400 Meter hoch. Das ist zwar deutlich lauter, aber immer noch kein Fluglärm, wie es die Anlieger eines Großflughafens (Flughäfen Frankfurt, Hamburg, Berlin u.a.) haben, sondern halt hörbare Flugzeuggeräusche.

Wo die Parteien so einmütig dastehen, gibt es auch aus den Medien kaum Bedenken. Nur im SÜDKURIER konnte man im Kleingedruckten Informationen sehen, die auf den Boden der Tatsachen zurückführen: Am 9. November gab es innerhalb des großen Artikels (1 ½ Seiten) eine kleine Karte der Flugverläufe und -höhen. In grün und blau über 2700 Meter, in rot die Einflugschneisen im Klettgau, zwischen Schaffhausen und Waldshut – dort kann man mit Recht von „Fluglärm“ sprechen. Zwei Tage vorher hatte der Anzeiger aus demselben Haus dazu schon eine große Titelgeschichte gemacht, in der weniger die Fakten gesprochen haben. Da wurde ein Mitglied der Litzelstetter Bürgerinitiative so zitiert: „Wenn die Flieger erstmal über das eigene Haus donnern, wird den Menschen die Problematik bewusst.“

Bürger, passt auf, dass die Fernsehantennen auf Euren Dächern nicht von den Fahrwerken der Flugzeuge abgerissen werden! Gut, die Litzelstetter sind schon etwas mehr betroffen, die höheren Wohnlagen stehen fast 100 Meter höher als die Niederburg – und vielleicht sind sie auch etwas empfindlicher.

Was könnte dann der eigentliche Grund für den Konflikt sein, wenn der Fluglärm nicht wirklich ein Problem ist? Die meisten politischen Konflikte kann man entweder ökonomisch oder psychologisch erklären, und im Fall der deutsch-schweizerischen Beziehungen trifft wohl beides zu. Um entsprechenden Kritiken vorzubeugen: Es gibt im Süden Baden-Württembergs tatsächlich Landschaften, die vom Fluglärm betroffen sind. Aber in Konstanz? Jammern auf hohem Niveau …

Autor: Patrick Brauns