Wenig Glück mit dem „Glücksatlas 2011“

20110925-012602.jpgWer kommt auf die Idee für einen „Glücksatlas“? Und wem bringt der Glück? Welche Absicht steckt hinter einer solche Studie? Albrecht Müller, einst Strategie-Berater im Bundeskanzleramt und heute Herausgeber von NachDenkSeiten.de, kennt die Strategen und ihre Erfüllungsgehilfen. Seine Analyse: Der „Glücksatlas“ predigt uns allen die Botschaft: Leute, hört auf zu jammern. Denn es geht doch allen gut.

Die erste (!) Meldung im ZDF-“heute journal“ war ein Bericht über einen „Glücksatlas Deutschland 2011“. Der Beitrag über diese so genannte Studie im Auftrag der Deutschen Post, unter Führung von Bernd Raffelhüschen und bei Mitwirkung von Allensbach und DIW, dauerte 8 min und 10 s (!); darin enthalten ist ein lammfrommes Interview des Moderators Kleber mit dem Professor genannten Interessenvertreter Raffelhüschen von über 4 (!) min Länge. Das ZDF und seine Hauptnachrichtensendung ist nur die Spitze des Eisbergs. Alle wichtigen Medien sind voll von unkritischen Meldungen zur „Studie“ – auch in Konstanz und am Bodensee..

Die Journalisten überschlagen sich, wenige Beispiele nur : „Glücksatlas: Die Deutschen sind so zufrieden wie lange nicht (WELT ONLINE); “Glücksatlas Deutschland 2011 : Die Hamburger sind zu beneiden. Die Hanseaten sind deutschlandweit die glücklichsten Menschen“ (Hamburger Abendblatt); „Glücksatlas 2011: Was die Deutschen glücklich macht“? (RP ONLINE); „Glücksatlas Deutschland 2011“: Mit Geld und Ehe glücklich werden? (FOCUS Online).

Die Strategen im Hintergrund

Sowohl die Macher der neoliberalen Ideologie wie auch ihre politischen Arme, die CDU/CSU, die FDP und die Bundeskanzlerin, brauchen Belege für den Erfolg ihrer Rezepte. Deshalb haben sie penetrant von Boom und Aufschwung XXL geredet, auch wenn die Daten dies überhaupt nicht her gaben. Sie – übrigens auch ihre Mitstreiter bei SPD und Grünen – haben behauptet, die Agenda 2010 und die Reformpolitik insgesamt sei ein großer Erfolg. Sie haben, um möglichst viel Licht auf ihre Arbeit zu lenken, andere Völker und Volkswirtschaften diskreditiert und herunter gemacht – ohne Rücksicht auf Verluste.

Das funktioniert nach dem berühmten Wippschaukeleffekt. Je tiefer man den andern taucht, umso höher, größer und glänzender erscheint mal selbst. Helmut Schmidt und seine Leute haben das früher mit der SPD so gemacht. Ein bewährtes Prinzip: Den unwissenden Bürgern wird mit der „Studie“ wie dem „Glücksatlas Deutschland 2011“ suggeriert: Jammert nicht, es geht euch doch allen gut. Nach der CDU-Kampage “Deutschland geht es gut” folgt so der nächste Streich.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie solche Studien zustande kommen. Da setzen sich die Strategen von Bundespresseamt, Parteizentrale der Union, Kanzleramt und die einschlägigen PR Agenturen zusammen und überlegen, wie die Hauptbotschaften für die nächste Wahlauseinandersetzung direkt und indirekt unter die Leute gebracht wird. Dabei spielt dann die Basisbotschaft – es geht uns gut, die Reformpolitik ist erfolgreich – eine zentrale Rolle. Jetzt kommt es darauf an, diese Botschaft A in Variationen unter die Leute zu bringen. Die Variationen B, C, etc. sind: wir sind glücklich, die Hamburger sind glücklicher als die Thüringer usw.. Das ist alles Beiwerk und unterstützendes Material für die Hauptbotschaft.

Erfüllungsgehilfen in Freiburg und Allensbach

Dann überlegt man sich, auf welche Vorfeldorganisationen eine solche Studie abgestützt werden kann und wer sie finanzieren könnte und wer ihr besondere Glaubwürdigkeit verleiht. Die einschlägigen Unterstützer sind schnell gefunden. Professor Raffelhüschen aus Freiburg macht bei solchen Sachen immer mit, auch das Institut für Demoskopie Allensbach und vermutlich auch die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.

Zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit greift man auf „die umfangreichen Datenreihen des Sozioökonomischen Panals zurück, die vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung seit 1984 erhoben werden“ (WeltOnline). Und zur Finanzierung der Propaganda Aktion stellt sich die Deutsche Post AG zur Verfügung. Das kennen wir schon. Die Deutsche Post finanziert auch wesentlich das Institut für die Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn, über das wichtige Agitationslinien für den Niedriglohnsektor gelaufen sind.

Über die Machenschaften des Professor Raffelhüschen und seine Bereitschaft, private Interessen „wissenschaftlich“ abzustützen, wird immer wieder berichtet (zu Raffelhüschens Rolle bei der Zerstörung des Vertrauens in die gesetzliche Rente hat die ARD in ihrem Beitrag „Rentenangst“ sehr gut berichtet, in meinem Buch „Meinungsmache“ finden sich einschlägige Belege.)

Journalisten und PR-Schreiber

Trotz aller bisher schon schlimmen Erfahrungen – die Bereitschaft der Journalisten, sich zu PR- Schreibern umfummeln zu lassen, ist schon erstaunlich: Zunächst noch zum ZDF: 8’10“ für ein solches Stück und als erste Meldung. Das ist unglaublich. Und wenn es im ZDF keinen Aufstand gibt, dann zeigt das nur, wer dort die Macht hat, und wie rücksichtslos man den Charakter als öffentlich-rechtlichen Medium parteipolitischen Überlegungen opfert. Ein erster Überblick über die verschiedenen Meldung ergab, dass es kaum kritische Stimmen gibt. Viele Journalisten sind offensichtlich an der langen Leine von PR Agenturen. Andere freuen sich vielleicht nur darüber, dass sie etwas Positives melden können. Sie verdrängen dabei die Realität, sie verdrängen die Stagnation bzw. den Rückgang der Masseneinkommen, die hohe Arbeitslosigkeit und die Unzufriedenheit mit der Politik, die sich in massivem Rückgang der politischen Beteiligung zeigt, usw.

Nicht einmal wirklich auffallende kritische Punkte werden hinterfragt. Zum Beispiel: Wieso finanziert die Deutsche Post eine solche Studie? Wie viele Leute sind befragt worden? Wann war das genau? Wie lauten die Fragen? Auf der Basis welcher Fallziffern werden Aussagen über einzelne Bundesländer gemacht?

Autor: Albrecht Müller/nds

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