„Konstanz wird laut“
Großartig. Selten habe ich auf einer Bühne so viel Begeisterung, so viel Leidenschaft erlebt wie bei der Premiere von „Konstanz Identity“. Selten aber auch so viel Reflexion, verpackt in schmissige Texte und Tänze. Was 48 Jugendliche von 13 bis 21 Jahren da als Revuetheater auf die Bühne zaubern, ist Agitprop und Kunst, ist mutig und verwegen: Standing Ovations des ausverkauften Hauses
Nun gut, wenn nur Eltern und Geschwister sowie die besten Freunde kommen, ist bei immerhin 48 Akteuren das Stadttheater Konstanz schon fast gefüllt. Dennoch: Man musste Laura und Jan gar nicht nicht kennen, um begeistert zu sein. Man brauchte nur ihren, meist selbst verfassten Texten aufmerksam zuhören, ihren – nebenbei famos gesungenen – Liedern lauschen, um zu spüren: Diese kritischen Kids werden sich so schnell nicht vereinnahmen lassen – nicht von Werbefuzzis und nicht von Predigern und von Laienpolitikern schon gar nicht. Von wegen unpolitische, uninteressierte Jugend.
„Konstanz wird laut“ ist das Motto dieses Jugendprojekts, bei dem die Jugendlichen des Jugend- und Tanzclubs, einer Einrichtung des Jungen Theaters Konstanz, hinter die Kulissen der Bodensee-Idylle schauen: Sie interviewen Zeitzeugen (LLK-Stadträtin Vera Hemm z.B. berichtet aus Kriegszeiten), sie zitieren aus historischen Quellen, sie recherchieren die Hintergründe aktueller Meldungen, und schonungslos kommen sie zu dem Schluss: In Konstanz am Bodensee ist die Welt nicht in Ordnung. Und deshalb werden sie laut.
Dabei lassen sie nichts aus: Das unsinnige Glasverbot wird ebenso gegeißelt wie die fehlenden Freiräume für Jugendliche, der Nazi-Auftritt während des Fasnachtsumzugs wird den Jubelhymnen der Konstanzer Nazipresse der 30iger Jahren gegenüber gestellt (hat sich in der Methode des Wegschauenes etwas geändert? fragen die Jugendlichen) und bei der Kritik an der verheerenden Wohnraumsituation bleiben die Namen des Konstanzer Geldadels nicht ungenannt: Baur, Stiegeler, Nissenbaum.
Das alles wird in 75 Minuten derart schwungvoll in Szene gesetzt, dass der Zuschauer sich sputen muss, den spannenden Faden nicht zu verlieren. Kein Augenblick der Langeweile, kein retardierender Moment, kein Atemholen. Nicht nur die 48 Akteure bringen Höchstleistung, auch das Publikum wird strapaziert – was ja nicht das Schlechteste am Theater ist.
Eigentlich ist es unfair, bei einer derart beeindruckenden Leistung des gesamten Ensembles einzelne Darstellerinnen hervorzuheben. Doch was einige da an Tanzeinlagen bieten, ist schon ungewöhnlich gut – da können manche kommerzielle Musicalstars noch etwas lernen.
Aber das Tollste: So viel Begeisterung, so viel Leidenschaft wie beim nicht enden wollenden Schlussapplaus habe ich noch nie in Gesichtern von Schauspielern gesehen. Die jungen Leute waren grenzenlos glücklich über ihren verdienten Erfolg und zeigten das auch. Und das Publikum war hingerissen und zeigte das auch. Solche Wechselwirkung macht wohl den geheimnisvollen Zauber von Theater aus.
Autor: hpk
Nächste Aufführungen: Montag, 14.05 – 20:00, Samstag, 19.05 – 20:00. Und hoffentlich noch viele mehr