45 dramatische Gedenkminuten

Am Platz, wo der Galgen stand, an dem der polnische Zwangsarbeiter Ludwig Symanski 1942 gemeuchelt wurde, in der Hegau-Höhe über Watterdingen am alten Postweg, wurde Gerd Zahners „Der Alte Weg“ uraufgeführt. Eine Premiere unter freiem Himmel vor gut 250 nachdenklichen, gerührten, manchmal weinenden Gästen, die nach 45 dramatischen Minuten nicht applaudieren mochten – der Applaus brandete erst später auf, als sich die Schauspieler verabschiedeten.

Zu erdrückend war dieses Spiel – ein für Zahner typisches Wechselspiel zwischen gespielten Szenen und vorgetragenen Kommentaren – um die scheue Liebe zwischen der deutschen Bauerntochter Hermine und dem polnischen Zwangsarbeiter Ludwig – frisch und ungekünstelt von Leander Kämpf und Lisa Maria Funk präsentiert. Wer mochte da klatschen nach 45 Minuten, in denen vom Hass der Nazis, vom Terror der vermeintlichen Sieger, von der Fratze des Kleinbürgers die Rede war?

Gut die Hälfte der Premierengäste seien Bürger aus Tengen und Watterdingen gewesen, meinte Tengens Bürgermeister Marian Schreier, der diese einmalige Premiere möglich gemacht hatte. Etliche, die womöglich insgeheim von diesem Schandurteil wussten, aber bis heute darüber schwiegen, standen in Fünferreihen auf der Höhe und erlebten mit, wie am Ende der Vorstellung ein Birnbaum gepflanzt wurde an der Stelle, wo 1945 der Galgenbaum flug entsorgt worden war.

Dass dieses Spiel so eindrucksvoll rüberkam, war wesentlich das Verdienst von Anna Hertz. Der Regisseurin, zusammen mit ihrem Mann Thomas Fritz Jung auch Mitspielerin, gelangen eindrucksvolle Effekte: Der Sack, der am Baum baumelnd 45 Minuten lang vom Opfer zeugte, die Sandkiste, die zum Symbol für Zwangsarbeit wurde, die Denkpausen des einfühlsamen Klarinettenspiels von Harro Eden, und die Schlussszene, in der die Schauspieler auf das friedliche, unbefleckte Watterdingen schauen – kleine, große Momente von Schauspielkunst, die diesen viel zu kurzen Theaterabend unvergesslich machen.

Bravo also für diese Aufführung, der man viele Wiederholungen wünscht. Und die erst viele Minuten später den Applaus bekam, der den Schauspielern gebührte. Das aber war der Schauerlichkeit, der Tristesse des Themas geschuldet.

hpk