Alle nannten ihn „Männy“
Hermann Alt (1910-2000) war Antifaschist, Spanienkämpfer, Gewerkschafter und ein Linker zwischen den Fronten. Für seine konsequente Haltung wurde der Schweizer in der Schweiz mit Gefängnis und Diskriminierung bestraft. Mitten im kalten Krieg wanderte er in die Sowjetunion aus – dort ging es ihm kaum besser. Ein neues, längst überfälliges Buch setzt Männy Alt jetzt ein Denkmal.
Alle nannten ihn „Männy“. Wie so viele war der junge Bauschlosser Hermann Alt aus Füllinsdorf bei Basel in den 1930er-Jahren arbeitslos. Doch er wollte etwas tun und schloss sich dem Kommunistischen Jugendverband in Basel an. Von einer Reise in die Sowjetunion war er „gewaltig beeindruckt“, wie er dem Buchautor Erich Schmid in einem Interview 1987 erklärte. Schmid hat nun seine Biografie verfasst, die soeben als Buch erschienen ist.
1936 kämpfte Alt in Spanien gegen General Franco und die Faschisten. Fast unglaublich, dass er die Hölle von Madrid, Teruel, Jarama und Brunete überlebte, wo Tausende Freiwillige der Internationalen Brigaden ums Leben kamen. Zuhause kassierte er fünf Monate Gefängnis. Die Schweizer Militärjustiz machte mit Spanienkämpfern kurzen Prozess und besonders dann, wenn es überzeugte Kommunisten waren.
Männy Alt ließ sich nicht entmutigen. Er wurde Gewerkschafter, organisierte die Textilarbeitenden und wurde Sektionspräsident der Metallgewerkschaft SMUV. Er selbst arbeitete in der Waggonfabrik von Schindler in Pratteln. Dank seiner Popularität wurde er in den Baselbieter Kantons- und in den Gemeinderat von Füllinsdorf gewählt. 1946 geriet er anlässlich eines Streiks in Konflikt zur behäbigen SMUV-Spitze. Diese warf ihm vor, das ‚Friedensabkommen‘ – ein Abkommen mit den Unternehmern, das den Streikverzicht beinhaltete – gebrochen zu haben. Doch für Alt war es wichtiger, den weitgehend wehrlosen italienischen Arbeitern bei Schindler zu helfen. „Es war traurig, von der eigenen Gewerkschaft verstossen zu werden“, erinnert sich Alt. Im kalten Krieg tolerierte der stark antikommunistische SMUV keine Funktionäre, die in der moskautreuen Partei der Arbeit (PdA) waren. Alt verlor den Job bei Schindler. Die Polizei verfolgte ihn – obwohl gewählter Politiker – als „Wühler und Linksextremisten“.
Ein Volk mit Maulkorb
Als seine Lage immer trister wurde, wanderte er 1956 mit seiner Familie in die Sowjetunion aus. Er erhielt eine Stelle in einem Stahlwerk in der Industriestadt Schdanow (heute Mariupol/Ukraine) am Asowschen Meer. Zwar fand er dort viele Freunde, doch störte ihn bald, dass ein öffentlicher Diskurs unbekannt und ein freier, politischer Meinungsaustausch unerwünscht war. „Der Stalinterror hockte den Leuten noch im Nacken“, musste er feststellen. Statt das erwartete Arbeiterparadies fand er ein Volk mit Maulkorb vor. Doch seinen PdA-Genossen schilderte er in Briefen nur das Blaue vom Himmel. Er wollte keine schlechten Nachrichten verbreiten. Schließlich wollte er wieder nach Hause. Den Verwandten berichtete er über die tatsächlichen Verhältnisse. Dies kam der Partei zu Ohren, und diese suchte seine Rückkehr in die Schweiz zu verhindern, indem sie über einen Mittelsmann in Moskau gegen ihn intrigierte. Trotz dieser Denunziation gelang es Männy Alt nach längerem Hin und Her im Jahr 1960, mit Hilfe der Schweizer Botschaft in Moskau nach Zürich zurückzukehren.
„Ich war am Boden“, erinnert sich der abermals enttäuschte Alt. Viel Häme musste er von Bürgerlichen und von den Ex-Genossen einstecken, die ihn inzwischen aus der Partei ausgeschlossen hatten. Politisch war er nun zwischen Stuhl und Bank geraten. Dennoch ließ er sich nicht dazu hinreißen, seine Parteifreunde bei der Polizei zu verpfeifen. Männy Alt blieb ein aufrechter Linker. Er schloss sich den Sozialdemokraten an und hielt bis zu seinem Tod im Jahr 2000 an der Vision einer besseren Gesellschaft fest.
Autor: Ralph Hug
Erich Schmid: In Spanien gekämpft, in Russland gescheitert. Männy Alt (1910-2000) – ein Jahrhundertleben, Orell Füssli Verlag, Zürich 2010, 190 S., ca. 40 Franken