Alles Theater – 30 Jahre Festival in Friedrichshafen
Schüler, Jugendliche, Amateure – allesamt Theaterfreunde treffen sich in dieser Woche zum 30. Mal zu „Theatertage am See“. Noch bis zum 13. April gibt es Aufführungen und Workshops, Musiktheater und Interviews mit Zeitzeugen in der Bodensee-Schule in Friedrichshafen. seemoz sprach mit Jürgen Mack, Vorsitzender des Fördervereins und Mit-Organisator der „Theatertage“, über den Stellenwert von Theater heute und die Pädagogik solcher Festivals.
30 Jahre „Theatertage am See“, 30 Jahre europäisches Theaterfestival in Friedrichshafen – in dieser Woche feiert das Amateurtheater 30-jähriges Bestehen unter dem Motto „Theater lebt“. Lebt Theater wirklich noch im Zeitalter von TV und Internet?
Meiner Meinung nach wird es Theater auch in Zukunft geben. Ich sehe auch keine „Bedrohung“ durch die immer mehr Raum und Zeit einnehmende Medienwelt. Das Theater geht jetzt schon damit um, entwickelt neue Formate, sucht seinen Platz. Es spielt sicherlich nicht mehr die zentrale Rolle im Bereich der Unterhaltungsindustrie. Aber Theater hat seine Stärken als eine unmittelbare und authentische Kunstform, dicht an elementaren Fragen des Menschen zu sein und das bezieht sich sowohl auf den einzelnen als auch auf seinen Platz in der Gesellschaft. Theater nimmt auch den Zuschauer ganz anders mit als alle anderen Medien. Im Schul- Jugend- und Amateurtheater geschieht das auf doppelte Weise, denn die Akteure sind Teil des Prozesses, sie spielen nicht nur für ein Publikum, sondern auch für sich selbst. Das Programm der 30. Theatertage spiegelt, wie lebendig Theater heute ist.
Ein Schwerpunkt in diesem Jahr ist das Zeitzeugenprojekt, das Kindheit und Theater in der Zeit des Nationalsozialismus – in Theresienstadt – zeigt. Warum gerade jetzt?
Weil es höchste Zeit wird! Menschen, die uns Zeugnis aus dieser Zeit geben können, sind heute in einem Alter, wo klar ist, lange werden wir solche Projekte nicht mehr machen können. Ein Festival wie die „Theatertage am See“ muss, wenn es seine Führungsrolle in Europa behaupten will, sich immer wieder neu erfinden, Themen aufgreifen, für die es kein besseres Format als Theater geben kann. Das Thema stand schon lange irgendwie im Raum, dass sich daraus ein Schwerpunkt für das diesjährige Festival entwickelt hat, war so nicht geplant, es „ergab sich einfach“. Ein weiterer Beweis für die Lebendigkeit des Theaters
Schon immer, seit 30 Jahren, gab es nicht nur Theateraufführungen, sondern auch Theaterkurse. Mit dem Projekt „wir … hier“ haben Sie ein neues Format für Schulen und Jugendgruppen geschaffen.
Auch das ein Beweis für die angesprochene Lebendigkeit. Fortbildung ist uns schon seit den 3. Theatertagen ein Anliegen. Wie sehr wir damit richtig liegen, zeigen allein schon die Zahlen: 305 Kursteilnehmer am Wochenende, 45 Projekte erreichen fast 1000 Schüler und in 11 großen „wir…. hier“ Projekten erleben 250 junge Menschen, wie Theater sie bewegen kann und welche sozialen Prozesse damit in Gang gesetzt werden können. „Wir … hier“ soll ein dauerhaftes Format werden, fester Bestandteil der kulturellen und sozialen Gestaltung unseres Zusammenlebens hier. Die verschiedenen Kulturen sollen miteinander in einen Dialog treten. Wir starten mit Kindern und Jugendlichen, wollen aber schon bald alle Generationen mit einbeziehen.
In der Vergangenheit waren Theatergruppen aus nahezu allen Kontinenten zu Gast, 2014 beschränkt sich das auf „alpenländisches Theater“. Wird das Festval jetzt wieder bodenständig?
Ist die Begrenzung auf unser „alpenländisches“ Umfeld wirklich bodenständig? Schauen Sie sich die SüdtiRoller an, Theater mit behinderten Menschen und das Seniorentheater aus Brixen, dann erleben Sie Theaterformate, die bei uns noch in den Anfängen stecken. Wir sind hier am Bodensee ein prädestinierter Ort für den Austausch und die Begegnung des Theaters im deutschsprachigen Raum, wir haben darauf in diesem Jahr mal den Fokus gelegt. Dabei verlieren wir den Blick auf Europa und andere Kontinente nicht aus den Augen.
Der Präsident des europäischen Amateurtheaterverbands besucht zum ersten Mal die Theatertage, als Kuratoriumsmitglied des Weltverbandes wird er unser Festival persönlich dort vorstellen. Die Internationalität lebt ganz aus der Bewerbungslage heraus. Wir bleiben bodenständig in unseren Organisationsstrukturen und bleiben offen für viele Entwicklungen. Sie werden auch wieder „die Welt zu Gast“ bei den Theatertagen erleben.
Mit dem Festival ist in 30 Jahren auch der Verein gewachsen, der das Projekt trägt und alljährlich organisiert. Wie viele Leute engagieren sich? Sind das nur Lehrer? Kann man da mitmachen?
Der Verein hat derzeit 250 Mitglieder quer durch alle Generationen und Berufsgruppen. Wir haben inzwischen mehrere Sparten, ein Team von 10 Leuten organisiert das Festival, vier Personen leiten die theaterpädagogische Ausbildung, dann sind mindestens 50 Kinder aktiv in unserer Zirkusakademie, 10 bis 15 bilden das Jugendvarieté Theater KRABALL, das man schon als semiprofessionelle Gruppe bezeichnen kann, 20 Mitspieler hat das Theater Oberschwaben- Bodensee (TOB), das vor zwei Jahren den deutschen Amateurtheaterpreis gewonnen hat, und dann gibt es seit einem Jahr noch die grenzüberschreitende deutsch-österreichische Impro-Theatergruppe „uTOBIa“ mit ebenfalls 15 Aktiven. Mit „Brundibár“ haben wir jetzt erstmals ein Musiktheater mit 35 Kindern quer durch die ganze Schullandschaft auf die Beine gestellt – das war sicher nicht das letzte Projekt dieser Art. Es fehlt eigentlich nur noch ein Seniorentheater und ein interkulturelles Tanztheaterensemble, warten wir`s ab. Unser Theater lebt und hat noch manches vor.
[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Die Fragen stellte hpk, die Fotos machte Ingrid Maurer
Siehe Auch: