Auch das ist Radolfzeller Geschichte

„Den Duft der Steine“ – so heißt das Stück, das die Theaterkulturwerkstatt der Zeller Kultur als ihren Beitrag zum Jubiläum ‚750 Jahre Stadt Radolfzell‘ inszeniert. Die Geschichte, die der Autor Gerd Zahner (Foto) erzählt und die am 21. September erstmals aufgeführt wird, ist lange in Radolfzell bekannt: die Geschichte der Jüdin Alice Fleischel, die vom „Schiff“-Wirt Strudel 1940 vor den Nazi-Schergen beschützt wird.

Die Personen: Alice Fleischel ( 1873 bis 1941) war die Verlegergattin von Egon Fleischel, der im 19. Jahrhundert Verleger von Theodor Fontane war. Später gründete er den Egon Fleischel Verlag, der die Zeitschrift „Literatur“ herausbrachte und aus dem später die Deutsche Verlagsanstalt hervorging. Alice und Egon konvertierten zum Christentum, ihr 1906 geborener Sohn wusste davon nichts, wurde Anhänger der Nazis, Mitglied des SA, erfuhr beim Tod des Vaters 1936 von seiner jüdischen Abstammung und wurde wegen Rassenschande, verheiratet mit einer deutschen Katholikin, für drei Jahre nach Hamm ins Zuchthaus gesteckt. Er starb ein Jahr nach seiner Mutter im Getto in Riga.

Die Geschichte: Alice Fleischel wollte nicht ohne diesen Sohn aus Deutschland fliehen. Sie wartete auf seine Haftentlassung, irrte durch Deutschland und strandete in Radolfzell im Hotel Schiff. Mit dem Schiff wollte sie nach Brasilien. Gerd Zahner: „Der Wirt hieß Strudel, auch das kann man nicht erfinden“. Und weiter: „Alice kam im Frühjahr 1940, der Wirt wurde im Juli von Bürgermeister und Polizei einbestellt mit dem Auftrag, die einzige Jüdin in der Stadt rauszuschmeissen. Er hat es nicht getan. Die Gründe sind unbekannt. Alice blieb im Hotel bis in den Oktober, als alle badischen Juden nach Gurs verbracht wurden; sie lebte im Hotel in Radolfzell in unvorstellbarer Einsamkeit, ihr Fenster zur Welt war einzig dieser Wirt Strudel. Er brachte sich selbst in Lebensgefahr. Es ist ein Geheimnis, warum er es machte. Aber es ist ein Beispiel, wie einer gegen alle sich stellt und den Himmel öffnet, für den Beweis der Existenz der Menschlichkeit“.

Das Stück: „Mich hat am Stück interessiert die Spanne zwischen Frühling und Oktober. Der Wirt ist eigentlich gezwungen, so zu handeln, wie die Stadt und ihre Vertreter es verlangen, er denkt nicht wie die Stadt, bleibt Wirt, bleibt Mensch. Alice Fleischel ist sein Gast. Menschen, die in ihrem Beruf bleiben, in Zeiten der Not der anderen, sind selten“.

Die Aufführungen: Die Theaterkulturwerkstatt des Vereins Zeller Kultur plant sieben Aufführungen des Stücks „Der Duft der Steine“ am 21., 22., 23. September und am 6., 7., 20., 21. Oktober, jeweils um 20 Uhr, in der Fürstenbergstraße 7a. Karten gibt es zu 15 Euro.

hpk