Befreiung?
Einen romantischen Einschlag hat das Programm der Philharmonie im Konzil an diesem Wochenende, bei dem gleich zwei SolistInnen zu hören sein werden. Auf dem Programm finden sich neben Beethovens 5. Klavierkonzert, das an der Schwelle zwischen Klassik und Romantik steht, erzromantische Kompositionen zweier eher vergessener Meister: des Flötisten Borne sowie von Svendsen, der es immerhin als One-Hit-Wonder zu einigem Ruhm gebracht hat, wenn es darum geht, eine CD noch irgendwie vollzukriegen.
Die romantische Flötentradition ist in Deutschland heutzutage – außer natürlich unter FlötistInnen – ziemlich in Vergessenheit geraten. Daher ist der Auftakt des Abends mit einem Werk für Flöte und Orchester eine Überraschung, zumal es sich um die „Fantaisie brillante sur Carmen“ des französischen Flötisten und Komponisten François Borne (1840-1920) handelt. Er legte damit den Grundstein für zahlreiche andere Carmen-Fantasien, die sich den Erfolg von Bizets Oper zunutze zu machen suchten und gar nicht schamrot einfach die schmissigsten Themen des Werkes auf der Konzertbühne aneinanderreihten. So auch Borne, der nur begrenzt auf die Fantasie und Verarbeitung der Musik Bizets setzt, sondern vor allem auf die Ohrwurm-Qualität der bekanntesten Melodien des Stückes vertraut. Die „Fantaisie“ entstand in den 1880er Jahren, also etwa zehn Jahre nach der Uraufführung von Bizets Oper, und wurde seine berühmteste Komposition.
Dass Bizets Oper auch eine weibliche Befreiungsgeschichte schilderte, die für das ausgehende 19. Jahrhundert revolutionär war, ist angesichts des Welterfolges dieses Werkes fast in Vergessenheit geraten. Zumal Nietzsche, als er sich von Wagner abwandte, Bizet auf seinen Schild hob; das aber nicht wegen ihres feministischen Charakters, sondern wegen ihrer südländischen Leichtigkeit und weil Bizets Musik einer guten Verdauung nicht im Wege zu stehen schien.
Kaiser-Konzert
Im Mittelpunkt des Konzerts steht (natürlich) Ludwig van Beethovens Klavierkonzert Nr. 5 mit dem Beinamen „Emperor“ aus dem Jahr 1809. Es entstand zur Zeit der Napoleonischen Kriege, Frankreich hatte Österreich den Krieg erklärt, und so steht die Musik im Kontext der politischen Konflikte jener Zeit, die ihr Schöpfer durchaus wach verfolgte. Die äußeren Umstände waren denkbar ungünstig und von Einschränkungen geprägt, dennoch gelang es Beethoven, das Werk zu vollenden und zugleich eines der populärsten Klavierkonzerte aller Zeiten zu schaffen, das die gesamte Gattung im 19. Jahrhundert nachhaltig prägen sollte. Solist der Uraufführung 1811 war übrigens Rudolph von Österreich, ein Schüler und Mäzen Beethovens, der Widmungsträger bedeutender Werke Beethovens wie etwa des Erzherzog-Trios, der Hammerklavier-Sonate und der Großen Fuge ist.
One-Hit-Wonder
Befreiung auf persönlicher Ebene durch eine Art musikalischer Erweckung wies dem norwegischen Geiger, Dirigenten und Komponisten Johan Severin Svendsen (1840-1911) den Weg. Mit 17 Jahren spielte er in einem Konzert Beethovens 5. Symphonie mit, was ihm die Augen für die Größe der Musik über das ihm bis dahin Bekannte hinaus öffnete. Mit 23 Jahren ging er ans Konservatorium Leipzig zum Studium der Violine und des Dirigierens. Von dort führte sein Weg nach Paris. Zurück in Leipzig wurde er zu einem der renommiertesten Kapellmeister seiner Zeit. Er nimmt in der norwegischen Musikgeschichte neben seinem Freund Edvard Grieg einen zentralen Platz ein. Svendsen wäre heute außerhalb Norwegens praktisch vergessen, hätte er nicht einen echten Hit gelandet, die unverwüstliche Violinromanze in G-Dur op. 26, die 1881 erschien und auch nicht schlimmer ist als andere sehnsüchtige romantische Gebrauchsmusik. Als Sinfoniker ist Svendsen hierzulande hingegen weniger bekannt, und so ist denn seine ebenfalls süffige 2. Sinfonie aus der Mitte der 1870er Jahre, die die Südwestdeutsche Philharmonie am Wochenende spielen wird, eine willkommene Abwechslung auf dem konzertanten Speisezettel.
Freitag, 18. Oktober, um 19.30 Uhr und Sonntag, 20. Oktober, um 18 Uhr im Konzil Konstanz.
Zu Gast sind die Pianistin Shiran Wang und der Flötist Stefano Maffizzoni. Chefdirigent Ari Rasilainen leitet das Orchester durch den Konzertabend. Eine Stunde vor Konzertbeginn findet ein Einführungsvortrag statt.
Karten für das Konzil sind beim Stadttheater Konstanz (07531 900-150), bei der Südwestdeutschen Philharmonie (9.00 Uhr bis 12.30 Uhr) und bei der Tourist-Information am Hauptbahnhof, sowie allen Ortsteilverwaltungen erhältlich. Tickets sind auch im Internet erhältlich: www.philharmonie-konstanz.de.
MM/Luciana Samos (Fotos: Südwestdeutsche Philharmonie, credit classikimk)