Bernd Konrad und Frank Lettenewitsch im K9
Vor rund 70 Jahren kam Bernd Konrad nach Konstanz – und ist geblieben. Viele kennen den Jazzmusiker von internationalem Rang. Nun tritt er im November zweimal im K9 mit dem ebenso bekannten Schauspieler Frank Lettenewitsch auf, der Konrads schriftliche Erinnerungen an die vergangenen Jahrzehnte vorträgt. Dazu gibt es feinen Jazz mit Bernd Konrad und Friends.
Hier schon mal eine Leseprobe, in der sich Konrad an das Lager erinnert, wo er als Fünfjähriger in Konstanz ankam. Das Lager Egg befand sich von 1947 bis 1961 in dem Konstanzer Vorort Egg. Sieben, aus jeweils zehn Räumen bestehende Holzbaracken wurden zur Unterbringung von ostdeutschen Vertriebenen und Flüchtlingen genutzt.
Vater und Christel, meine älteste Schwester, sind bereits vor einigen Wochen nach Konstanz gekommen. Sie gelten als Heimatvertriebene, sie sind Flüchtlinge. Mein Vater hatte Arbeit als Schneider bekommen und eine möblierte Bleibe bei einer älteren Dame im Konstanzer Stadtteil Wollmatingen gefunden.
Christel kann bei Onkel Gustav und Tante Erna unterkommen, die bereits seit einem halben Jahr in einem Lager leben. Hier im Lager Egg, direkt am Bodensee, zu Fuß eine Stunde vom Konstanzer Zentrum entfernt, liegen die Baracken, in denen die Flüchtlinge untergebracht sind. Als Wehrertüchtigungslager der Marine-Hitlerjugend gebaut, leben hier Flüchtlinge aus Pommern, Schlesien, Ost-und Westpreußen und täglich kommen weitere hinzu. Manche wohnen ein paar Wochen hier. Andere bereits seit Jahren. Kinder tollen draußen umher, spielen und lärmen auf der großen Wiese zum See hin. Es scheint sie nicht zu kümmern, dass für jede Familie nur ein kleiner Raum vorgesehen ist, abgeteilt mit einigen Brettern und Decken für die Schlafkojen, ausgestattet mit einem Kohleherd, um Essen zubereiten zu können, und im Winter damit zu heizen. Die Wäsche wird in großen Bottichen gewaschen, die auf der Wiese stehen. Unter ihnen ein Rost für die Feuerstelle, die das Wasser zum Kochen bringen soll. Dieses Idyll am See ist eingerahmt von unzähligen Leinen, auf denen Wäschestücke hängen. Unterbrochen von Holzstangen, die bespannt von einer groben Wäscheleine, die Wäsche mit Wäscheklammern befestigt.
Im heißen Sommer 1952 als wir hier ankommen, riecht es nach Holz, Urin und Moder. Karbid–Lampen ersetzen elektrisches Licht. Jeder Block hat eine Latrine, einen Wasserhahn und einen Hauswart, der die Einhaltung der Hausordnung überwacht. Und jede Menge Ratten, die sich unter den Bohlen sammeln und nachts auf Nahrungssuche sind.
In einem Brief von Onkel Gustav teilte er uns mit, dass er uns mit dem Leiterwagen vom Bahnhof abholen wird. 10 Pfennige kostete die Bahnsteigkarte damals, mit der man den Bahnhof betreten durfte. Onkel Gustav spart sich dieses Geld. Als wir mit Taschen, Koffern und Paketen am Konstanzer Bahnhof aussteigen, ist es Abend geworden. Nachts kommen wir im Lager Egg an. Übermüdet schlafen wir auf dem Fußboden ein…
Wann? 13.11. und 27.11.2022, jeweils ab 20 Uhr. Eintritt: 18 Euro, 14 Euro ermäßigt.
Wo? K9 / Hieronymusgasse 3 / 78 462 Konstanz
Text: Bernd Konrad/hr
Bild: Privat. Links Bernd Konrad