Butter, Käse, Schmalz und Milch

Franz Holz, postmoderner Hegau-Ritter und geliebt-gehasster seemoz-Autor, ist weithin bekannt für bissige Attacken, gepfefferte Glossen und grobe Wahrheiten. Doch warum immer die Zornesadern schwellen lassen, wenn einem bisweilen auch mal Vergnügliches in die Finger gerät? Beim Stöbern in alten Familienunterlagen fiel ihm unlängst ein vergilbtes Papier aus dem letzten Jahrtausend in die Hände, das einen fast melancholisch werden lässt. Hier sein familiärer Rückblick, gekoppelt mit einem wohlmeinenden Rat für ältere Semester

Meine Großeltern Franz und Hildegard H., so steht es in den Unterlagen, übernahmen 1923 im Allgäu von den „Söldnerseheleuten“ Johann Baptist und Hildegard S. – den Großeltern meiner Großmutter – ein Anwesen, bestehend aus Wohnhaus, Käsküche, Krautgarten, Viehweide, Hausgarten und Acker und schlossen einen Vertrag beim Notariat zu Kempten. Nachdem das Finanzielle weitgehend geregelt war, kam es zu einer Zusatzvereinbarung zwischen den Parteien, die sich einfach nur wunderbar liest.

Sie (meine Großmutter) verpflichtet sich, ihre Großeltern, die Übergeber, bis an ihr Lebensende im bisherigen Umfange ihren jeweiligen Gesundheitsverhältnissen entsprechend abzunähren und zu unterhalten, bei Krankheitsfällen die Arzt- und Apothekkosten zu tragen und für ein standesgemäßes Begräbnis zu sorgen. Hierin inbegriffen ist auch die Anschaffung der notwendigen Kleider und Schuhe für die Großeltern. Für Fälle von Meinungsverschiedenheiten werden folgende Mindestsätze der Naturalreichnisse festgesetzt, welche zu gewähren sind ohne Rücksicht darauf, ob beide Berechtigte oder nur einer derselben am Leben ist:

  • täglich zwei Liter süße Vollmilch
  • wöchentlich ein Kilogramm Butter und ein Kilogramm Schmalz
  • wöchentlich zehn Stück Eier
  • jährlich dreihundertfünfzig Pfund gleich 175 Klgr. Weizen oder Roggen, je nach dem Ausfall der Ernte
  • jährlich ein Zentner kochfertiges Sauerkraut gleich 50 Klgr.
  • Jährlich drei Zentner gleich 150 Klgr. Kartoffeln
  • jährlich zwölfeinhalb Klgr. frisches oder geräuchertes Schweinefleisch
  • jährlich sechs Ster halb weiches, halb hartes klein hergerichtetes Brennholz für den Fall, daß nicht die gemeinsame Wohnstube mitbenützt wird, was den Übergebern freisteht

Ferner wird als Taschengeld in allen Fällen eine monatliche vorauszahlbare Rente gewährt, welche dem Preise von zehn Litern Milch im Monat in der Käsküche entspricht. Zur Sicherung dieses Leibgedings bewilligt und beantragt die Übernehmerin eine Reallast auf dem übernommenen Anwesen jedoch ohne Käsküchenanteil zugunsten der Übergeber im Grundbuch einzutragen.

Weiters wird den Übergebern das Wohnungsrecht auf Lebenszeit eingeräumt, bestehend aus der ausschließlichen Benützung der Kammer über der Wohnstube als Schlafzimmer und der gemeinsamen Mitbenützung des Wohnzimmers und der übrigen Einrichtungen und Bequemlichkeiten. Sollten die Übergeber veranlasst sein, eine anderweitige Wohnung zu beziehen, so sind die Kosten hiefür von der Übernehmerin zu tragen.“

Soweit das Dokument aus einer Zeit, in der ein Pfund Butter und ein Sack Roggenmehl noch einen Wert hatten.

Erblasser des 21. Jahrhunderts aufgepasst! Scharren Ihre Nachfahren schon jetzt laut und vernehmbar mit den Hufen und sind dabei, für Sie ein Altersheim auszusuchen, um möglichst schnell an Ihr hart erarbeitetes Einfamilienhäuschen zu kommen? Begehren die Raffzähne sogar, Zugriff auf Ihr Bankkonto zu bekommen, weil Sie angeblich nicht mehr mit Geld umgehen können, einen zunehmend verwirrten Eindruck machen und ihre Kinder und Enkel ständig mit längst Verstorbenen verwechseln? Wenn ja, dann legen Sie doch allen Erbschleichern und Gierhälsen einfach diesen – eventuell leicht geänderten und der Moderne angepassten – Vertrag vor und fordern Sie Ähnliches ein. Ich denke mal, dann ist zumindest vorläufig garantiert Ruhe in der lästigen Abteilung Erbrecht.

Viel Erfolg und ein verdammt langes Leben wünscht Ihnen von Herzen

Waldbauernbub` Franz Holz