Dadamm-dadamm-damm-dadamm

Karfreitag ist Bach-Zeit (zugegeben: Weihnachten auch, und die meisten anderen Tage im Jahreslauf nicht minder, außer wenn hitzefrei ist), und zu den allerhöchsten Karfreitagsfreuden gehört einfach die Johannes-Passion. Am Samstag nach Ostern geht es musikalisch hingegen wieder deutlich weltlicher zu, wenn im Konstanzer Konzil drei junge PianistInnen zusammen mit der Südwestdeutschen Philharmonie einige Schlachtrösser der russischen Klaviermusik satteln: Prokofjew, Rachmaninow und Tschaikowski.

Es gibt Komponisten, die zu lange gelebt haben. Einer davon ist Sibelius, der 1957 starb. Zu diesem Zeitpunkt hatte er seit über 25 Jahren nichts mehr komponiert, und nichts an irgendeinem seiner Werke deutete jemals darauf hin, dass er überhaupt auch nur einen Tag im 20. Jahrhundert verbracht hätte … außer vielleicht, dass es in den Zeitungen vor 1893 keine Verrisse seiner Musik gab.

[the_ad id=“63034″]

Mozarts 8. Violinkonzert komponiert

Ein ähnliches Kunststück gelang Sergej Rachmaninow (1873-1943), bei dessen Musik man wetten könnte, er sei ein Zeitgenosse von Anton Rubinstein (1829-1894) oder Franz Liszt (1811-1886) gewesen. In seiner Gestalt ragt der längst ausgestorbene Typus des reisenden Virtuosen mit genialischem Touch, der zugleich auch erfolgreich komponiert, bis in den Zweiten Weltkrieg hinein.

Die meisten herausragenden Instrumentalisten modernen Zuschnitts hingegen taten ihrem Publikum den Gefallen, den ganzen Tag fleißig Klavier, Geige oder Triangel zu üben und nebenher nicht noch mit Herzblut – aus der Zeit gefallene – romantische Stücke zu komponieren (vom Geiger Fritz Kreisler einmal abgesehen, aber der war Wiener und durfte das also).

Einige dieser Instrumentalisten waren sogar so rücksichtsvoll, ihre Werke gleich als Werke anderer zu tarnen wie Marius Casadesus. Das 1933 durch ihn entdeckte achte Violinkonzert Mozarts („Adélaïde Concerto“), das von einigen Musikwissenschaftlern für echt erklärt, von Menuhin eingespielt und von Paul Hindemith mit Kadenzen bedacht wurde, schaffte es sogar als „KV. Anh. 294a“ ins heilige Köchelverzeichnis. Casadesus musste 1977 vor Gericht schließlich zugeben, dass er es eigenhändig komponiert hatte. Seit der flächendeckenden Einführung der DNA-Analysen und des Waterboardings hat sich – nebenbei bemerkt – die Zahl neu entdeckter Mozart-Violinkonzerte bezeichnenderweise drastisch auf null reduziert.

Schlachtrösser der russischen Klaviermusik

Was nun Rachmaninow anbelangt, so hat er einen ganz anderen Lebensweg beschritten als etwa sein Landsmann Sergej Prokofjew. Rachmaninow verließ zur Zeit der Oktoberrevolution Russland und kehrte nie wieder dorthin zurück. Auch Prokofjew lebte ab 1918 vor allem in Westeuropa und den USA, bereiste aber ab 1927 immer wieder einmal die Sowjetunion und zog schließlich 1936 nach Moskau zurück, wo er der neben Schostakowitsch bedeutendste Komponist der UdSSR wurde. Er schuf dort in den 17 Jahren bis zu seinem Tod 1953 einige Werke von Weltruf, unter anderem die Oper „Krieg und Frieden“, die 5. Sinfonie, das Ballett „Cinderella“ sowie die Filmmusik zu „Alexander Newski“.

So unterschiedlich diese beiden auch lebten, am Samstag, 27. April, werden sie zusammen aufgeführt. Die Südwestdeutsche Philharmonie präsentiert das „Konzert Junger MeisterInnen“ unter Leitung von Chefdirigent Ari Rasilainen. Marie Rosa Günter (Foto) spielt Prokofjews Klavierkonzert Nr. 1, Yeon-Min Park interpretiert Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 3 und Aaron Pilsan das höchst populäre Klavierkonzert Nr. 1 von Tschaikowski (Sie wissen vielleicht noch: Dieter Hildebrandts Sendung „Notizen aus der Provinz“ begann mit diesem Stück, damit das Bayerische Fernsehen wusste, wo es sich ausblenden musste).

[the_ad id=“63031″]

Der Quell der abendländischen Musik

Als die Johannes-Passion an Karfreitag vor 295 Jahren uraufgeführt wurde, ahnte wohl niemand der in der Leipziger Nikolaikirche Versammelten, dass der Name ihres Komponisten noch in 300 Jahren Menschen auf der ganzen Erde einen heiligen Schauer über den Rücken jagen würde: B-A-C-H, kurz Bach! Hätte Bach kein anderes Werk geschrieben als nur den Eingangschor seiner Johannes-Passion, er wäre allein mit diesen zehn Minuten Musik schon unsterblich geworden. Aber auch das ahnte wohl kaum einer der damaligen Kirchenbankdrücker, der das Glück hatte, dieser bedeutenden Welturaufführung beizuwohnen.

Nachdem Mendelssohn 1829 mit einer Aufführung der Matthäus-Passion die Wiederentdeckung und baldige musikalische Heiligsprechung des 1750 gestorbenen Bach eingeleitet hatte, war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch die „kleinere“ Johannes-Passion wiederentdeckt würde. Das geschah 1833 in Berlin, und um eine Aufführung 1851 in Düsseldorf machte sich gar Robert Schumann „verdient“, als er um der vermeintlich besseren Wirkung willen noch ein paar Trompeten hinzukomponierte. Vermutlich in diesem Moment hat Gott persönlich den bald darauf auch tatsächlich eintretenden Untergang Schumanns beschlossen.

Die Bedeutung Bachs jedenfalls fasste 1944 ein höchst beliebter Großkomponist in folgende dürren Worte: „Die Musik von Bach bis Richard Wagner und Richard Strauss ist Höhe- und Schlusspunkt göttlichen Menschentums, letzte Erfüllung und Enthüllung des Mythos […].“ Der dies schrieb, musste es wissen und zeigte mit seinen Zeilen ein durchaus robustes Selbstbewusstsein, denn es war – Richard Strauss selbst.

Harald Borges (Foto: Marie Rosa Günter, aufgenommen von Jo Titze)


Johannes-Passion: Karfreitag, 19. April 2019 um 17 Uhr in der Lutherkirche Konstanz.
Mit dem Bach-Chor Konstanz musizieren die Solisten Mechthild Bach (Sopran), Diana Haller (Alt), Marcus Elsässer (Tenor), Steffen Balbach (Bass, Jesusworte) und Timothy Sharp (Bass, Arien), sowie das Bach-Collegium Konstanz auf historischen Instrumenten. Die Leitung der Aufführung hat Michael Stadtherr. Karten gibt es hier.

Russische Klavierkonzerte: „Junge MeisterInnen * Stars von morgen“: Konzert am Samstag, 27. April 2019 um 19.30 Uhr im Konzil Konstanz.
Karten für dieses Konzert im Konzil sind beim Stadttheater Konstanz (07531 900-150), bei der Südwestdeutschen Philharmonie (9.00 Uhr bis 12.30 Uhr) und bei der Tourist-Information am Hauptbahnhof sowie allen Ortsteilverwaltungen erhältlich. Tickets gibt es auch hier.

Das Konzert wird ein weiteres Mal gespielt:
– Inselhalle Lindau, am Sonntag, 28. April, um 19.00 Uhr.
Karten für dieses Konzert gibt es hier.

Die KünstlerInnen sind in Konstanz außerdem in einem öffentlichen Meisterkurs zu erleben: Von Mittwoch, 17. April, bis Freitag, 19. April, täglich von 14–17 Uhr im Wolkenstein-Saal im Kulturzentrum am Münster. Geleitet wird der Meisterkurs von Prof. Bernd Goetzke von der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover.
Ein zusätzliches Klavierrecital findet am Mittwoch, 24. April, um 19.30 Uhr ebenfalls im Wolkenstein-Saal statt.