Das Spiel des Lebens

Der Jugendclub Konstanz zeigt mit dem Teenage-Horror-Stück „Nothing Compares 2U“ die Geschichte um einen Aussteiger, der behauptet, nichts habe eine Bedeutung. Seine Freunde kämpfen mit Kraft und Gewalt gegen diesen zur Schau gestellten Nihilismus an und wollen ihn zurück holen. Ob das gelingt?

Sie sind gerade in die 9. Klasse gekommen, haben keine Pickel mehr, sehen mega gut aus und scheißen auf ihre Eltern. „Aus uns soll etwas werden“ schreien sie, im Kreis laufend, immer lauter. Plötzlich steigt einer aus. Nicolai (Marvin Renner) hat keinen Bock mehr. Er klettert auf eine Leiter und verkündet, dass er keinen Sinn mehr sehe. In nichts. Alles scheint ihm absurd, lächerlich und überflüssig. Wofür sich anstrengen, wozu in dieses Hamsterrad, das man Leben nennt, einsteigen? Nicolas bleibt lieber abseits, belächelt die anderen.

Die versuchen, ihn wieder zurückzubekommen. Nur wie? Prügeln? Beten? Petzen? Herausfordern? Abfüllen? Nein, all dies scheint zwecklos. Man muss ihn überzeugen. Man muss ihm beweisen, dass die Dinge eine Bedeutung haben. Die Gruppe macht sich nun also auf die Suche nach Gründen, für die es sich lohnt zu existieren. Alle bringen das Wertvollste mit, das sie finden können. Ein Kreuz, ein Comic, ein Handy, ein Familienerbstück – aber Nicolai lacht nur hämisch. Das ist doch alles ersetzbar.

Ein toter Hund, das erste Mal und ein Daumen

Nun geht es also ins Metaphysische und die als harmlos beginnende Teenagestory entwickelt sich zum Horrorthriller. Eine Dynamik in der Gruppe entfacht, die jedes Mitglied dazu anhält, ein noch krasseres Bedeutungsstück zur gemeinsamen Sammlung beizusteuern. Hierbei bewegen sie sich immer weiter abseits von Tugend und Moral, töten Tiere, vergewaltigen, plündern Leichen und Körper und wollen schließlich sogar das höchste Gut: das Leben eines Menschen.

Während die Jugendlichen also ein Abenteuer nach dem anderen erleben, nachts auf dem Friedhof, beim Verlieren der Unschuld oder auf einer Kunstauktion und sich weiterführend die Frage nach Bedeutung stellen – ist es Fame? Ist es Geld? – sitzt Nicolai stoisch auf seiner Leiter und zeigt sich vollkommen unbeeindruckt. Es ist doch alles nur Müll, der hier angehäuft wird. Eine Haltung, die ihm letztendlich das Genick bricht und die Gruppe zu der Erkenntnis bringt, worum es geht im Leben: Freundschaft!

Horrorambiente in Pastellfarben

Gezeigt wird das Stück auf einer schlichten Bühne, die auf unterschiedlichen Ebenen bespielt wird. Ebenso schlicht die Kostüme: Shorts und Hoodies in sanften Pastelltönen. Mit Haarteilen und Perücken wird mit Genderrollen gespielt. Im Stück selbst wird diese Schlichtheit aufgebrochen, die Darstellungsformen variieren: eine Band begleitet die Handlung, Monologe über das Glück werden eingesprochen, es wird getanzt und gesungen. Besonders hier zeigen die Mitwirkenden ihr Talent. Spätestens wenn Bianca Sender ihre Interpretation des titelgebenden Songs von Sinéad O’Connor singt, das vom Stil mehr an die Pixies erinnert, steht die Zeit für einen Augenblick still.

Das Stück haben die Darstellenden unter Leitung von Rabea Schubert selbst konzipiert. Die Texte, zum Teil in naiver, romantisierender Sprache, beschäftigen sich mit Existenzängsten, Unsicherheiten und dem immerwährenden Darstellen der Generation Selfie. Beeindruckend ist dabei die Bandbreite der Denkansätze, die alle gleichwertig in das Stück eingewoben werden und ihren Platz finden. Die zum Teil morbide und zynisch wirkende Handlung lässt sich am besten mit den Worten einer Schülerin zusammenfassen, die im Premierenpublikum saß: „Zwischenzeitlich zutiefst verstörend, aber doch auch sehr faszinierend.“

Veronika Fischer (Foto: Theater Konstanz)


Festival der Theaterclubs 19.–22.07.

Am nächsten Wochenende sind alle Produktionen, die in dieser Spielzeit in den Theaterclubs erarbeitet wurden, auf den Bühnen von Spiegelhalle und Werkstatt zu sehen. Der Kidsclub, Tanzclub, Generationsclub und Jugendclub zeigen, was sie können. Im Rahmen des Festivals der Theaterclubs kosten alle Stücke, außer der Premiere des Jugendclubs, nur fünf Euro Eintritt. Vorverkauf über die Theaterkasse im Stadttheater – die Kasse am Veranstaltungsort öffnet eine Stunde vor Vorstellungsbeginn.

Tanzclub:

Warten auf die Stille
Fr 20.07.18, 20 Uhr Spiegelhalle

Generationenclub:

Arbeit, Arbeit, Arbeit…
Sa 21.07.18, 20 Uhr Werkstatt

Kidsclub:

Das erzähle ich mal lieber nicht meinen Eltern
So 22.07.18, 15 Uhr Werkstatt

Jugendclub:

Nothing compares 2 U
So 22.07.18, 20 Uhr Spiegelhalle

Wie es sich gehört – im Jungen Theater:
Diskussionsveranstaltung
19.07.18, 19 Uhr Foyer Spiegelhalle

Inszenierungen für ein junges Publikum bringen manchmal LehrerInnen und Eltern ins Stolpern: „Das Stück ist schwierig!“, lautet ein bekannter Einwand. Ein didaktischer Schnellschuss oder eine begründete, erfahrungsbasierte Einschätzung? Das junge Publikum schützen? Aber wovor eigentlich? Wie unterscheiden sich die Blicke und Erfahrungen des erwachsenen Publikums von dem des jungen, und wie beeinflusst dies das Theatererlebnis?

Junge und ältere ZuschauerInnen sind eingeladen, gemeinsam mit KünstlerInnen, LehrerInnen, WissenschaftlerInnen und TheaterpädagogInnen, Antworten zu suchen. Eintritt frei.