Demokratie auch für Mumien
Die demokratisch gesinnte Welt freut’s, die Museumswelt hingegen ist in Sorge. Im Kampf um die Volksherrschaft am Nil ist nebenher das Ägyptische Museum in Kairo geplündert worden. Die Wende soll nicht nur der heutigen ägyptischen Bevölkerung etwas bringen, sondern auch ihren mumifizierten Landsleuten und deren einmaliger Hinterlassenschaft, fordern Schweizer Ägyptologinnen und Kuratoren von Museen mit ägyptischen Sammlungen.
Um den Kulturgüterschutz sei es schon immer schlecht bestellt gewesen, weil korrupte Antikenbehörden in Ägypten Funde systematisch unterschlagen und auf dem Schwarzmarkt verscherbeln würden, heißt es in Fachkreisen. Viele Grabungsstätten seien auch heute völlig ungesichert, und freigelegte Objekte würden zu Zehntausenden unregistriert in Kisten abgefüllt und in tiefen Kellern verschwinden, klagt Renate Siegmann, Präsidentin des Zürcher Ägyptologie-Forums.
Und André Wiese, Konservator der Ägyptischen Abteilung am Antikenmuseum Basel, outet sich als entschiedener Gegner der Rückgabe altägyptischer Funde, die außer Landes geschafft worden sind und in den Vitrinen unserer Museen stehen. In dieser Haltung sei er durch die Plünderungen in Ägypten sogar bestärkt worden, sagt er. Der Direktor des Historischen und Völkerkundemuseums St. Gallen, Daniel Studer, fürchtet hingegen nicht, dass solche Forderungen je an seine Sammlung gestellt würden. Dafür sei sie zu wenig bedeutend. Das St. Galler Museum präsentiert zurzeit die einzige aktuelle Ägyptenausstellung in der Schweiz.
Noch bis zwei Tage vor Ausbruch des Volksaufstandes hat Ägypten mit Deutschland über die Rückgabe der berühmten Nofretetebüste, dem Glanzstück des Neuen Museums in Berlin, verhandelt – ohne Erfolg. Es ist zu hoffen, dass ein künftig demokratisches Ägypten auf dem Verhandlungsweg erreicht, dass seine kolonialistisch geplünderten und ausgeführten Antikenschätze in kostenpflichtige Dauerleihgaben umgewandelt werden und das Geld gezielt in die heimische Antikenpflege und -sicherung zurück fließen wird.
Autor: Harry Rosenbaum