Der Gesellschaft den Spiegel vorhalten?
Fälle von Machtmissbrauch im Theaterbetrieb kamen in letzter Zeit bundesweit vermehrt an die Öffentlichkeit. Das Theater wird weiterhin dominiert von Männernetzwerken in den entscheidenden Positionen der Theaterhierarchie. Doch es kommt zunehmend Dynamik in die Veränderungsprozesse. Ein Gespräch mit der Hausregisseurin des Theaters Konstanz, Franziska Autzen, über Selbstbehauptung, Solidarität und Seilschaften im Machtapparat Theater.
Franziska Autzen ist Hausregisseurin am Konstanzer Stadttheater. Ein kleines Theaterhaus in einer idyllischen Provinzstadt am schwäbischen Meer. Die aufgeweckte Künstlerin mit den hellblauen Augen und dem kurzen braunen Pony-Haarschnitt legt ihre Stirn in Falten, greift zu einem Gummibärchen und beginnt mit einer Mischung aus Betroffenheit und motiviertem Veränderungswillen die Machtstrukturen im Theaterbetrieb zu beschreiben.
Selbstbehauptung im Machtapparat Theater
Die Männerfreundschaften im Theater schachern sich die Spitzenpositionen weiterhin zu. Wie anders könne sich der geringe Anstieg im Frauenführungsanteil von nur 3% in 20 Jahren im Theaterbetrieb erklären lassen, fragt sie. Die Schieflage im nach außen gesellschaftskritisch anmutenden Kunstsegment lässt sich statistisch glasklar belegen, ergänzt Autzen nüchtern. Zahlen des deutschen Kulturrats von 2016 zeigen, dass 78% der Theater von Intendanten geleitet werden, 76% der Stücke werden von Männern verfasst und 70% der Inszenierungen von Regisseuren arrangiert. Männer würden sich gegenseitig schützen und fördern. Nicht anders könne erklärt werden, wie Machtmissbrauch stetig stattfinden könne, und nachdenklich führt sie fort: „Letztlich ist unbegreiflich, wie Klaus Dörr Intendant der Berliner Volksbühne werden konnte, obwohl zuvor beachtliche Zweifel an seiner Person bestanden haben.“ Im März hatte der Interimsintendant Dörr seinen Posten niedergelegt, nachdem Mitarbeiterinnen gegen ihn #MeToo-Vorwürfe erhoben hatten. Selbstbehauptung gegen die patriarchalischen Machtstrukturen ist Teil ihres persönlichen und künstlerischen Antriebs, betont Autzen.
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Die große Mehrheit an Spitzenpositionen in Theatern wird weiterhin von Männern besetzt
Jeden Tag seine Stimme erheben zu können, sei ein demokratisches Privileg und Ausdruck von Solidarität mit jenen Personen, die sich nicht wehren können. Diesen Weg der persönlichen Teilhabe an Veränderungsprozessen versuche sie als Regisseurin zu leben, hebt sie hervor. Als Regieassistentin hatte sie lernen dürfen, was es heißt, sich auf Augenhöhe zu begegnen.
„Natürlich habe ich Situationen erlebt, in denen meine Ideen abgetan wurden und die des Mannes, der anschließend genau das Gleiche vorschlug, gefeiert wurden“, berichtet sie. Dennoch habe sie durch flache Hierarchien in ihren Teams gelernt, wie gleichberechtigtes Arbeiten möglich sei. Durch beständiges In-Frage-Stellen der Strukturen, durch Zuhören, durch die Versuche, Ideen von allen Beteiligten einzubinden, werde Gleichberechtigung aller möglich. „Das ist das Versprechen des Feminismus. Die Kunst und der Wille zur Gleichberechtigung – nicht nur der Geschlechter – auch von Menschen aller Hautfarben, Alter und Sexualitäten“, vertieft Autzen. Auf der Bühne heißt das, diskriminierende Strukturen nicht zu reproduzieren.
Theaterrollen sollen Selbstbehauptung widerspiegeln
Rollen müssen auch die eigene Selbstbehauptung als Mensch, der Verantwortung übernimmt, widerspiegeln, untermauert die Künstlerin. Frauenrollen in Klassikern sollten freier inszeniert werden. „Das ist das Grundprinzip von Theater: Dein Stück, deine Interpretation, deine künstlerische Freiheit. Denn Theater ist Übersetzung“, betont Autzen. Frauen können für sich selbst sorgen und sind nicht vom Mann abhängige Wesen, die beschützt werden müssen. In dieser Form sollen Frauen auch in Szene gesetzt werden, so die Regisseurin. Deswegen findet sie auch die Einführung einer paritätischen Quote und das konsequente Gendern auf Bühnen grundsätzlich notwendig. Sprache beeinflusse das Denken und ohne inklusive Sprache werde allein an Männer gedacht. Zudem hätte eine Quote eine wichtige Signalwirkung und würde Frauen die Chance geben, sich zu beweisen. Eine Wettbewerbsverzerrung sei dies nicht, findet die Regisseurin und kritisiert ausdrücklich:
„Die männlichen Buddy-Netzwerke sind die eigentlichen Ungerechtigkeiten.“
Wer oder was sie, trotz der beschriebenen Herausforderungen, glücklich macht, kann sie klar benennen: Das Theater Konstanz und ein tolles Produktionsteam gibt ihr, gerade auch hinsichtlich der Pandemie, immens Halt. „Ich habe das Privileg, mit meiner Arbeit Geschichten erzählen zu dürfen und mich mit Themen und Gefühlen auseinanderzusetzen. Das gibt mir wahnsinnig Kraft!“, ergänzt sie begeistert. Durch das gemeinsame Umsetzen von Projekten in flachen Hierarchien werde gute Teamarbeit erst wirklich sichtbar und fruchtbar.
Die Ungerechtigkeit im Theaterbetrieb entsteht durch Männernetzwerke
Trotz der offensichtlichen Herausforderungen stimmen die wichtigen Veränderungen der letzten Jahre die Regisseurin optimistisch. Immer mehr Frauen, Persons of Colour und Menschen verschiedener Sexualität trauen sich, ihre Stimmen zu erheben. Es bildet sich ein diverseres Netzwerk, das sich unterstützt, die alten Seilschaften in Frage stellt und dekonstruiert, beschreibt sie und ergänzt mit einem munteren Lächeln: „Wir sind mehr und wir sind eigentlich diverser aufgestellt, als es die großen Bühnen gerade abbilden!“ Der Gesellschaft den Spiegel vorhalten, das könne jetzt richtig losgehen, schließt Autzen zuversichtlich.
Franziska Autzen sprach mit Tilman Wolf (Bild: Theater Konstanz/Ilja Mess)
„Die aufgeweckte Künstlerin mit den hellblauen Augen und dem kurzen braunen Pony-Haarschnitt legt ihre Stirn in Falten, greift zu einem Gummibärchen und beginnt mit einer Mischung aus Betroffenheit und motiviertem Veränderungswillen die Machtstrukturen im Theaterbetrieb zu beschreiben.“…“…mit munterem Lächeln…“ und „Der Gesellschaft den Spiegel vorhalten, das könne jetzt richtig losgehen, schließt Autzen zuversichtlich.“
Halleluja, da hat doch wohl so ein richtig Erwachsener wohlwollend über die Bemühungen einer Elfjährigen berichtet. Ich frage mich, was für ein Mensch heute in einer sonst guten, kritischen und progressiven Onlinezeitung so schreiben kann. Gut gemeint oder doch die Haltung Frauen gegenüber?
„Die aufgeweckte Künstlerin mit den hellblauen Augen und dem kurzen braunen Pony-Haarschnitt legt ihre Stirn in Falten, greift zu einem Gummibärchen und beginnt mit einer Mischung aus Betroffenheit und motiviertem Veränderungswillen die Machtstrukturen im Theaterbetrieb zu beschreiben.“ Da mag ich, alter weißer Regisseur, seit vierzig Jahren im Gewerbe und kurz vor der Rente, schon gar nicht mehr weiterlesen. Geht es hier um Inhalt oder Optik? Klar, Frauen essen Gummibärchen. Echt? Und Männer trinken Bier? Und dann ergänzt sie auch noch „mit einem munteren Lächeln!“ Die Jungs schauen ja eher grimmig in die Kamera. Und kratzen sich am Sack. Vielleicht wäre ein klassisches Interview – Frage – Antwort – Frage – Antwort – der Problematik weitaus angemessener gewesen. Weil alles was die Kollegin sagt, Hände und Füße hat. Nicht nur in Konstanz und nach der Ära Professor Nix.