Der Versuch lohnt: 3. Literaturwochenende am Untersee

Malerisch am Schweizer Seeufer liegen die Orte Steckborn, Berlingen, Ermatingen und Tägerwilen. Bereits zum dritten Mal findet dort am 11. und 12.September in fünf historischen Häusern das „Literaturwochenende am Untersee“ statt. Der Gedanke, ein ganzes Wochenende in den Fokus der Literatur zu stellen, war 2008 am Untersee noch neu. Das Bedürfnis war vorhanden, denn viele Thurgauer besuchten regelmässig in Konstanz angebotene Leseabende. Aber ob sich im ländlichen Raum eine solche Veranstaltung dauerhaft würde etablieren lassen, war fraglich.

Die Initiatoren sind das Risiko eingegangen: Im ersten Jahr hielt sich das Interesse noch in Grenzen, aber schon beim zweiten Literaturwochenende waren einige Lesungen ausgebucht. „Vor allem bei jungen Menschen“, so der Wunsch der Veranstalter, „soll die Lust an Literatur geweckt werden.“ Deshalb werden bewusst solche Werke ausgesucht, die sich mit den aktuellen Fragen unserer Zeit befassen.

Mit dem zehnten Werk des Literaturnobelpreisträgers Orhan Pamuk beginnt das dritte Literaturwochenende am 11. September 2010 in Steckborn. In seinem Roman „Das Museum der Unschuld“ erzählt der bekannteste türkische Autor der Gegenwart die Geschichte einer obsessiven Liebe in Istanbul. So ganz nebenbei zeichnet Pamuk ein Porträt der türkischen Gesellschaft in den siebziger Jahren, die sich zwischen traditionellem Moralkodex und einem am Westen orientierten Freiheitsbegriff ihren Weg sucht. Es liest der stimmgewaltige Schauspieler Frank Lettenewitsch vom Konstanzer Theater.

Von ganz anderer Art ist die Samstagabend-Lesung in Berlingen. Der gebürtige Berliner Klaus Rothe, seit 40 Jahren am Untersee, trägt eigene Prosa vor: subtil verwobene 5-Minuten-Geschichten. Er teilt sich den Abend mit der Steckborner Lyrikerin Lili Keller, die in ihren Texten, „Den Zauber aufspüren“, leise poetische Worte findet für die kleinen Wunder der Natur.

Astrid Kellers Lesungen sind in doppelter Hinsicht ein Genuss. Nicht nur die Stimme der freischaffenden Schauspielerin ist beeindruckend, es sind vor allem ihre Gesten, mit denen sie herausragende Textstellen temperamentvoll unterstreicht. In Ermatingen wird sie die Besucher für den  Roman „Am Hang“ von Markus Werner begeistern, der in der Kantonsschulzeit ihr Philosophielehrer war. Größtenteils in Dialogen geschrieben, entwickelt sich aus einer Zufallsbekanntschaft zweier Männer ein faszinierendes und gleichermaßen verstörendes Verwirrspiel. „Eine ungeheuerliche Geschichte von leidenschaftlicher Liebe und Todessehnsucht…“, formulierte ein Rezensent in der Frankfurter Rundschau.

Der Schweizer Autor Peter Weber sorgte 1993 mit seinem Roman „Der Wettermacher“ für Aufsehen. Er ist am Sonntag im Schlösschen Breitenstein in Ermatingen zu Gast und liest aus seinem 2007 erschienenen Werk, „Die melodielosen Jahre“. Sätze wie „der Säntis sendet Störklänge“, machen neugierig. Der Roman soll wie eine „schaumig-lustvolle Textdusche“ genossen werden, empfiehlt die Frankfurter Rundschau. In Istanbul hat Peter Weber einige neue Texte geschrieben, auf das Prosastück, „Rätsel des Essigs“ darf man gespannt sein.

Zur letzten Veranstaltung des Literaturwochenendes 2010 am Sonntagnachmittag, kommt der Züricher Schauspieler Jaap Achterberg nach Tägerwilen. Er bringt seinen Zuhörern den in Kürze erscheinenden Roman „Die Seele“ von Jens A. Koemeda mit. Es ist die Suche nach Lebenssinn und Glück, wenn sich die bitteren Gedanken einer vierzigjährigen Frau beim Feierabendbier ins Bewusstsein drängen. Die tiefgreifende Gesellschaftskritik Koemedas kommt nicht mit dem Holzhammer daher, sondern leicht und unterhaltsam. Ein Lesevergnügen mit satirischem Unterton.

Die Lesungen dauern jeweils eine Stunde, die Anfangszeiten sind so gestaffelt, dass der Besuch von mehreren Lesungen möglich ist. Anschließende Diskussionen sind vorgesehen.


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Autorin: R.Bosch