Des Reichtums fette Beute. Wie die Krise das Land ruiniert
Kann die tiefe Kluft zwischen arm und reich eine Volkswirtschaft zerstören? Ist also Ungerechtigkeit nicht nur ein moralisch-ethisches, sondern ein handfest volkswirtschaftliches Problem? Gustav Horn, vielen noch aus seiner Zeit an der Konstanzer Universität bekannt, sieht das in seinem neuesten Buch so.
Der renommierte Volkswirtschaftler geht davon aus, dass die Finanzmarkt-Krise keineswegs gebannt sei – die aktuellen Ereignisse belegen seine Analysen -, sei doch deren entscheidende Ursache noch nicht beseitigt. Die Politik habe national wie international – obwohl unvorbereitet und getrieben von den Ereignissen – zwar weitgehend richtig auf „diese historische Herausforderung“ reagiert. Aber die großen Lehren habe sie nur kurz debattiert und dann vergessen. Auch in Deutschland sei von einer Zeitenwende „kaum etwas zu spüren“.
Sein entscheidender Befund: „Deutschland hat sich auf den Weg zu einem plutokratischen System begeben, einem System also, das der Herrschaft des Reichtums unterliegt.“ Die entscheidende Ursache: die vor allem aufgrund politischer Entscheidungen zunehmend mächtiger und größer gewordene Finanzindustrie, welche die Geldströme nach ihren eigenen Normen und Werten dirigiere. Eine Finanzindustrie, anderen Spitze eine weltweit agierende Elite stehe, die sich selbst mit ihren Werten und Normen „außerhalb der bestehenden Gesellschaften“ ansiedle. Horn erläutert ausführlich, wie beginnend in den siebziger Jahren nach und nach die Verhältnisse von heute geschaffen wurden: die deutsche Politik verschob Teile ihrer Macht hin zu den Finanzmärkten. Intensiv beschäftigt er sich mit der Frage, wie die Agenda- und Steuer-Politik von Kanzler Gerhard Schröder (1998-2005) den Arbeitsmarkt und die Verteilung von Einkommen und Vermögen grundlegend veränderte.
Horn rekonstruiert im Detail die Entwicklung der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise seit dem Jahr 2007 und kommt vor diesem Hintergrund zu dem Schluss: Was geschehen sei, komme einer Zäsur, einer Zeitwende gleich, die den Aufbau „einer neuen gesamtwirtschaftlichen Ordnung“ erfordere. Es gibt Autoren, deren Bücher enden mit solchen oder ähnlichen Appellen. Nicht so bei Horn: Wie er sich die große Alternative vorstellt, das skizziert er auf guten 60 Seiten.
Wer nicht sehr an diesem Thema interessiert ist, der wird die Lektüre dieses fakten- und argumentenreichen Buches, das immer wieder auch Ausflüge in die Theorie unternimmt, als anstrengend empfinden: eben weil Horn sehr gründlich und detailliert argumentiert. Auch wenn er – meist – recht verständlich schreibt und immer wieder seine vielschichtigen Erkenntnisse zusammenfasst: der Leser muss sich schon auf das Buch einlassen, sich konzentrieren, sich hinsetzen bei einem Glas Wein – viel mehr darf es allerdings nicht sein.
Dieses Buch hat jedoch einen Wert an sich. Gustav Horn ist einer der wenigen profilierten Volkswirte in Deutschland, der eine solche grundsätzlich kritische Position vertritt; er ist Leiter des gewerkschaftsnahen Institutes für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Deshalb ist es für die öffentlichen Debatten hilfreich, dass er gründlich und kompetent die Ereignisse analysiert und deutet, seine Thesen darlegt und begründet. Ein zuverlässiges geistiges Basislager für Andersdenkende.
Autor: Wolfgang Storz/woz
Gustav A. Horn „Des Reichtums fette Beute. Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert.“ Verlag Campus, Frankfurt/Main, 2011, 270 Seiten, 24.90 Euro