Die andere Seite des Ludwig Finckh

seemoz-Gerd-Zahner„Ludwig Finckh (* 21. März 1876 in Reutlingen; † 8. März 1964 in Gaienhofen) war ein deutscher Schriftsteller und Arzt. Neben eigenen schrift­stellerischen Erfolgen ist er bekannt durch seine Freundschaft mit Hermann Hesse, von der eine umfangreiche Korrespondenz erhalten ist.“ Derart dürr der Wikipedia-Eintrag. Doch die andere Seite des Natur­schützers und Hitler-Verehrers Finckh leuchtet der Konstanzer Dramatiker Gerhard Zahner (Foto) aus – zu erleben in einer szenischen Lesung am Freitag in Singen.

Es ist gibt Biographien und Begegnungen und Widersprüche, die kann die Literatur nicht erfinden.

Erfunden würde es als zu konstruiert gelten, als zu gesucht in den Widersprüchen, als zu plakativ.

Dr. Ludwig Finckh ist ein solches Plakat der Widersprüche. Er zog 1905 mit Herrmann Hesse aus dem Schwäbischen auf die Höri, das Leben in der Natur zu suchen. Finckh und Hesse gründeten dort ihre Familien. Finckh, gleichsam erfolgreicher Schriftsteller und Arzt, verband mit Hesse eine tiefe Freundschaft. Acht Jahre später, nach der Indienreise, brach Hesse mit Finckh.

Finckh wurde Mit- und Vordenker nationalsozialistischer Gedanken, plädierte in Büchern, die in den Giftschrank gehören, bereits 1920 für Rassenhygiene und Rassenreinheit. Das Hakenkreuz wurde aus dem Runenschlaf 1920 durch seine Literatur wach geküsst und als Zeichen des neuen deutschen Aufbruchs, flankiert mit antisemitischer Polemik, der nationalsozialistischen Bewegung vorangetragen. seemoz-Plakat-SonnwendFinckh schwor dem Reichskanzler Hitler ewige Treue, dozierte in der SS-Kaserne Radolfzell und reiste als Propagandaredner durch die Lande. 1933 sprach er zu SONNWEND vor 5000 HJ-Anhängern auf dem Hohentwiel.

Der Menschenverachtung im Denken steht Finckhs Verdienst für den Naturschutz und der Erhalt des Hegaus gegenüber. Ohne ihn würde heute der Hohenstoffel verschwunden sein, das Gesicht der Landschaft wäre ein anderes. Finckhs Engagement verhinderte den Abbau des Hohenstoffels, stoppte das Basaltbergwerk. Göring unterzeichnete auf Finckhs Initiative das erste Deutsche Naturschutzgesetz.

Nach 1945 suchte Finckh, der jetzt als Schriftsteller erledigt war, die Nähe zu Hesse, um von dessen Erfolg zu profitieren. Hesse lehnte ab, einmal aber kam es noch zu einem Treffen zwischen den beiden.

Fincks Name wird heute meist unreflektiert nur im Zusammenhang mit dem Naturschutz positiv benannt – und soweit Wanderer dem Finckhweg durch den Hegau folgen, ahnt niemand die Schatten dieser Gestalt. Hesse hat ihn geschätzt und dann verachtet.

GZ/PM/hpk

Gerd Zahner: Sonnwend; szenische Lesung mit Josef Vossenkuhl und Harro Eden (Musik). Freitag, 4. Dezember, 20 Uhr. Theater in der Gems, Singen. Eintritt: 10 € (ermäßigt 8 €).

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