Die Frauen aus Ravensbrück
Die Geschichte der großen NS-Konzentrationslager ist in den letzten Jahrzehnten gut erforscht und publizistisch aufgearbeitet worden. Allerdings stand die Geschichte der Männerlager weit mehr im Fokus als die Lager der Frauen. Durch den Dokumentarfilm „Die Frauen von Ravensbrück“ (2005) von Loretta Walz und das 2016 erschienene Buch „Ohne Haar und ohne Namen“ von Sarah Helm wurden die Biografien der dort Inhaftierten und damit auch der Widerstand von Frauen medial breit wahrgenommenen.
Im Mittelpunkt standen dabei zumeist die Jahre der Qual und Erniedrigung in den Lagern. Noch immer wenig dagegen ist über die „Nachgeschichte“ der Überlebenden bekannt. Der Historiker Henning Fischer hat in einer mehrjährigen intensiven Forschungsarbeit die politischen Lebensgeschichten einer Gruppe von kommunistischen deutschen Überlebenden des KZs Ravensbrück recherchiert und darüber promoviert.
In seinem Buch „Überlebende als Akteurinnen“ porträtiert er den Lebensweg dieser Frauen ab der Zeit ihrer Politisierung in der Weimarer Republik, beschreibt ihr Engagement für die KPD und im Widerstand, ihre Jahre in Gefängnissen und Lagern, wo die Kommunistinnen eine solidarische Gemeinschaft bildeten, was ihnen auch die Kritik „stalinistischer Härte gegenüber Mithäftlingen“ einbrachte, und ihre Geschichten und Karrieren in Ost- und Westdeutschland ab 1945 bis in die 1990er Jahre.
Das Frauen-KZ Ravensbrück
Im Mai 1939 errichteten die Nationalsozialisten das größte deutsche Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück nahe Fürstenberg/Havel, 80 Kilometer nördlich von Berlin. Es war Teil eines Lagerkomplexes, zu dem neben dem Frauenlager ein Männerlager, Industriebetriebe, das Siemenslager und in unmittelbarer Nachbarschaft das KZ Uckermark für Mädchen und junge Frauen gehörten. Darüber hinaus existierte eine Vielzahl von Außenlagern. Man geht von rund 132 000 dort inhaftierten deutschen, überwiegend polnischen, russischen und französischen Frauen und Mädchen aus, darunter auch Jüdinnen, Sintezze und Romnja, von denen etwa 30 000 nicht überlebten.
Unmittelbar nach ihrer Befreiung gründeten diese Frauen ihre Lagergemeinschaft als gemeinsamen sozialen und politischen Verband. Die meisten von ihnen stürzten sich bald wieder in die politische Arbeit, was, so Fischer, ihre Form der Trauma-Bewältigung war. Nach der Gründung der beiden deutschen Staaten setzten sich die Lebenswege unterschiedlich fort: Die DDR nahm die Ravensbrückerinnen in den Dienst der offiziellen Doktrin des antifaschistischen Staates, an den viele von ihnen bedingungslos glaubten. In der BRD waren sie bis in die 1970er Jahre als Mitglieder der KPD von politischer Repression und sozialer Ausgrenzung betroffen und mussten um Wiedergutmachung kämpfen.
Henning Fischer wird in Konstanz auf Einladung von seemoz e.V., der Initiative Stolpersteine Konstanz – Gegen das Vergessen und Intoleranz, der VVN-BDA Kreisvereinigung Konstanz, der Friedensinitiative Konstanz und der UVK Verlagsgesellschaft sieben dieser Akteurinnen aus BRD und DDR „in all ihrer Widersprüchlichkeit“ vorstellen.
Termin: Freitag 27. April, 19,30 Uhr,
Ort: Treffpunkt Petershausen, Georg-Elser-Platz 1, 78467 Konstanz.
Eintritt ist frei.
Der Autor:
Henning Fischer, geboren 1981 in Hamburg, studierte Geschichte in Berlin und Poznan/Polen. Er promovierte an der Humboldt-Universität bei Prof. Michael Wildt, einem der bekanntesten zeitgenössischen Historiker der Neueren und Neuesten Geschichte Deutschlands. Er war Stipendiat der Rosa-Luxemburg-Stiftung, ist aktiv in der politischen Bildung und in antirassistischen Initiativen sowie Mitglied des „AutorInnenkollektivs Loukanikos“.
Das Buch:
Henning Fischer: „Überlebende als Akteurinnen. Die Frauen der Lagergemeinschaften Ravensbrück“. Biografische Erfahrung und politisches Handeln, 1945 bis 1989. UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2017. 29 Euro.
MM