Die Philharmonie wird Schlossbesitzerin
Seit ein paar Tagen steht es da am Seerhein neben dem Bofo: Das Lustschloss, ein je nach Tageszeit mal quietsch- und mal samtrotes Zirkuszelt, in dem im Juli die Konstanzer Philharmonie ihre künstlerische Heimat haben wird. Der Auftakt ist geheimnisumwittert: „Daheim – Eine Odyssee“ ist ein seit dem letzten Herbst unter anderem von Oliver Wnuk zusammen mit Schülern geschriebenes Stück mit viel Musik für rund 600 Menschen, das hier am 4. und 5. Juli erstmals über die Bühne gehen soll.
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Ein Stück mit Hunderten Beteiligten zu erarbeiten, einzustudieren und auf die Bühne und in den Orchestergraben zu bringen ist ein in Konstanz nicht alltägliches Vorhaben, aber Corinna Bruggaier, die das Projekt initiiert hat, hatte von Anfang eine klare Vision für ihre Mammutaufgabe und bereits Erfahrungen z.B. in Bremen gesammelt: „Unser Ziel ist keine Revue, in der jede Gruppe mal mit einer Nummer drankommt“, berichtet sie, „sondern ein musik-theatrales Kunstwerk mit Whow!-Effekt, bei dem natürlich auch die Kostüme und das Bühnenbild eine zentrale Rolle spielen.“ Eine derartige Großveranstaltung macht viel Arbeit und verlangt ein gehöriges organisatorisches Wissen. Von der Zelt- und Bühnentechnik über die behördlichen Genehmigungen bis hin zur Security und dem Catering braucht es einfach verdammt viel Hirnschmalz, Erfahrung (und Nerven ohne Ende!), damit das Vorhaben gelingt.
Schule meets Philharmonie
Bereits seit Monaten proben einzelne Gruppen wie zum Beispiel der Chor oder die Tanzgruppe, intensiv für das Projekt, das eine Kooperation der Südwestdeutschen Philharmonie mit der Konstanzer Geschwister-Scholl-Schule und vielen weiteren Beteiligten ist. Es hat in den letzten Monaten große gemeinsame Projekttage gegeben, bei denen alle gemeinsam an den großen Szenen arbeiteten, die für die Aufführungen gemeinsam entwickelt und intensiv geprobt wurden.
Die Teilnehmenden kommen aus unterschiedlichsten Lebensbereichen, es sind Profis und Laien, die hier miteinander arbeiten: Mitglieder der Südwestdeutschen Philharmonie, Schülerinnen und Schüler, Bewohner der Stadt. Menschen auf und hinter der Bühne, die hier gemeinsam „ihr“ großes Kunstwerk entwickeln. Laienchor und Schülerchor, Musikerinnen und Musiker der Philharmonie zusammen mit dem Schulorchester, Erwachsene und Schüler proben gemeinsam, und langsam wächst aus dem anfänglichen großen kreativen Chaos eine Geschichte. Es ist die Geschichte einer Reise nach Hause, mit allen Irrungen und Wirrungen, die eine Odyssee mit sich bringt, mit Musik von J.S. Bach, Beethoven, Mahler und vielen mehr.
Inspiration plus Transpiration
Auch Oliver Wnuk, der seine ersten Schauspielerfahrungen im Jugendclub des Konstanzer Theaters sammelte, ist als Schauspieler und Autor mit dabei. Mit Schülerinnen und Schülern erarbeitete er in einer Schreibwerkstatt Texte für das Stück.
10 Prozent Inspiration, 90 Prozent Transpiration, das gilt in der Kunst nicht nur bei hochsommerlichen Temperaturen. Aber Kunst braucht bekanntlich nicht nur Schweiß, sondern natürlich auch Geld. Das eigens für das Projektaufgestellte Lustschloss am Seerhein ist, ebenso wie „Daheim – Eine Odyssee“, Teil des Programms „Exzellente Orchesterlandschaft“ und wird mit Geldern aus Berlin gefördert, die die Südwestdeutsche Philharmonie als eines der wenigen deutschen Orchester noch unter der Ägide von Beat Fehlmann einwerben konnte. Das Zelt steht vom 1. bis 21. Juli 2019 auf der großen Wiese am Seerhein neben dem Bofo an der Reichenaustraße, kurz vor der neuen Rheinbrücke. Es ist 26 m hoch und bietet neben den 600 Mitwirkenden auch Platz für mehr als 1000 ZuschauerInnen. Trotzdem ist es geboten, sich schnell um Karten zu bemühen, denn die beiden Aufführungen dürften schnell ausverkauft sein.
Das Lustschloss ist kein Elfenbeinturm
Das Lustschloss ist jedenfalls ein großer Schritt des Orchesters hinaus aus dem Konzil in die Öffentlichkeit und eine Eroberung neuer Wirkungsbereiche, die nicht zuletzt für jüngere Menschen interessant sein könnten – und damit eine sinnvolle, weil nachhaltige Verwendung der Exzellenzgelder aus Berlin. Ein Orchester für viele und zum Anfassen sozusagen. „Für drei Wochen findet das Orchester hier also eine Heimat,“ heißt es bei der Philharmonie, „einen Ort, an dem es spielen will und zeigen, was alles möglich ist, wenn es sich – wenn zunächst auch nur vorübergehend – einrichten kann. Das Projekt ‚Daheim – Eine Odyssee‘ ist dabei der Leuchtturm, der bildlich gesprochen dem Orchester und seinem Publikum den Weg weist.“ Dabei klingt natürlich auch der ein wenig wehmütige Ruf der Philharmonie nach einem eigenen Konzerthaus in Konstanz an, aber das wird angesichts der massiven finanziellen Turbulenzen um das Bofo derzeit vermutlich niemand so deutlich zuzugeben wagen.
In den nächsten Wochen folgt im Lustschloss-Zelt dann ein gemischtes Programm mit sehr verschiedenen musikalischen Angeboten.
Harald Borges/MM (Fotos: Bild von den Proben in der Geschwister-Scholl-Schule, Fotograf Ilja Mess (c) SWP, Bild des Zeltes O. Pugliese)
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„Daheim – Eine Odyssee“ am Donnerstag, 4. Juli, 19 Uhr und am Freitag, 5. Juli, 19 Uhr.
Regie Silke Schumacher-Lange; Musikalische Leitung Elias Grandy; Bühnenbild Lea Dietrich; Kostümdesign Christin Bokelmann; Oliver Wnuk als Autor/Schauspieler.
Karten: Erwachsene 28 Euro, ermäßigt 18 Euro, Schüler 6 Euro. Tickets zu allen Veranstaltungen im Lustschloss gibt es an den Vorverkaufsstellen der Südwestdeutschen Philharmonie oder online. Kasse im Stadttheater, Telefon +49 7531 900-150, Di bis Fr 10–19 Uhr, Sa 10–13 Uhr. Südwestdeutsche Philharmonie, Karten- und Abobüro, Fischmarkt 2, Telefon +49 7531 900-816, Mo bis Fr 9–12.30 Uhr. Online gibt es Karten hier.
Mehr Informationen: www.lustschloss-am-seerhein.de
Es gibt jetzt übrigens im Internet einen Film, der die Entstehung des Stücks dokumentiert, Sie finden ihn hier.