Die Puppenspieler aus der Inselgasse
Schauspielerei als Schwerstarbeit – 90 Minuten lang sind die Puppenspieler der „Bonnie und Clyde“-Premiere in der Konstanzer Theaterwerkstatt auch Schauspieler, auch Bühnenarbeiter, auch Entertainer. Und das machen sie so engagiert, so einfühlsam, dass die Zuschauer die grausige Kriminalgeschichte fast vergessen und nur die hoffnungslose Liebesgeschichte zweier verzweifelter Teenager sehen: Ein Kammerspiel voller erstaunlicher Wendungen. Tolles Theater.
Bonnie und Clyde? Wir kennen den glamourösen, romantisierenden Film von und mit Warren Beatty und Faye Dunaway, den aufrüttelnden Song von Merle Haggard, aber wir kennen die wahre Geschichte nicht. Die liefert womöglich Annette Gleichmann, die für das Junge Theater Konstanz eine eigene Fassung schrieb und auch gleich die sensible Inszenierung übernahm.
Da treffen sich im Amerika der 20er Jahre und der wirtschaftlichen Depression zwei Teenager aus Texas, verlieben sich und rauben Banken aus. Weil ihnen, ohne Einkommen und Ausbildung anscheinend keine Alternative bleibt. Eine Parallele zur deutschen Gegenwart? So weit geht das Stück nicht. Aber es führt eindrucksvoll vor, was hinter dem Wort ‚Depression‘ steckt: Null Chance, Null Hoffnung, kein Ausweg. Nur noch Alkohol oder Mordlust, nur noch verzweifelte Liebe oder wilde Ekstase.
Und das stellen Magdalene Schaefer und Rodrigo Umseher nach einigen Anlaufproblemen leidenschaftlich-gekonnt dar: Mehr noch als Puppenspieler denn als Schauspieler. Die Doppelbegabung der beiden Darsteller schafft so ein neues, spannendes Theatererlebnis. Denn die Puppenszenen – übrigens mit meisterhaft von Anke Lenz gebauten Puppen – sorgen für Verfremdung (wie sonst ließe sich eine Vergewaltigung derart unspektakulär darstellen?), sorgen aber auch für nachdenkliche Momente wie bei der schnörkellosen Vorführung der Bonnie-Mutter. Für Ruhe- und Denkpausen ist auch der stetige Auf- und Umbau auf offener Bühne verantwortlich: Ein multifunktionales Dekorations-Dreieck wird ständig geschoben, gedreht, vielfältig genutzt. Alles das meistern die beiden Schaupieler mit später dann erstaunlicher Souveränität.
Das Doppelspiel von Puppentheater und Schauspiel macht den Reiz dieses Stücks aus, die sensible Inszenierung mit ihrer verschmitzten Farbfindung (nur Dunkeltöne schaffen solche Stimmung der Depression), die gekonnte Schauspielerei mit nur selten übertriebener Präsentation – einfach: Eine gelungene, noch lange nachdenklich stimmende Theaterpremiere, die ihren donnernden Applaus verdient hat.
Autor: Hans-Peter Koch