Drei Ladinerinnen in Tuttlingen

Auf das Konzert haben die Fans von „Ganes“ schon lange gewartet. Nun, am kommenden Montag, 8. Oktober, präsentieren die Tuttlinger Hallen dieses außergewöhnliche Frauen-Trio, bestehend aus den Schwestern Marlene und Elisabeth Schuen und ihrer Cousine Maria Moling. Bislang wurde Ganes als exotischer Geheim- oder Insidertipp angepriesen. Doch jetzt locken die größeren Bühnen. Und die Tuttlinger Hallen mit ihrem rührigen Chef Michael Baur sind dabei

Aufgewachsen sind die drei in dem Dolomitendorf La Val, nur zweihundert Höhenmeter voneinander entfernt und verbunden durch einen Bach, der an ihren Elternhäusern vorbei plätschert. Flankiert von den steilen und schroffen Felswänden der Kreuzkofelgruppe, die sich mächtig, bedrohlich aber auch beschützend über ihrem Dorf erhebt. An ihre Kindheit erinnern sich die drei jungen Frauen gerne. Abends saßen die Familien zusammen und es verging fast kein Tag, an dem nicht musiziert und gesungen wurde – in ladinischer Sprache, einem romanischen Dialekt, der nur noch von etwa 30 000 Menschen verstanden wird.

Als Ganes bezeichnet man in der alpenländischen Mythologie, und da vor allem in Südtirol, Feen, Hexen oder Wassernixen, um die sich viele Sagen ranken. Die drei Musikerinnen fanden den Namen passend und übernahmen ihn. Erste kleinere Auftritte folgten und sie entwickelten einen musikalischen Mix, der sie teilweise noch heute prägt: Popmusik mit alpiner Tönung, begleitet von Ethnoeinschlägen, Blues, Soul, lateinamerikanischer Rythmik, aber auch Reggae und Funk. Wie das alles zusammen geht? Klingt das nicht ein wenig nach künstlich aufgebürsteter Heimattümelei, um angestaubtes Liedgut aufzupolieren? Mitnichten, Skeptiker mögen sich einfach mal ein paar Stücke anhören und sich vom Gegenteil überzeugen lassen. Es lohnt sich.

Waren Ganes zu ihren Anfängen nur regional bekannt, sollte sich das ab 2002 langsam aber stetig ändern. Marlene Schuen war da schon als Violinistin und Sängerin mit Hubert von Goisern auf Tour. Sie erinnert sich gerne daran: „Was ich in den Jahren in der Band von Hubert von Goisern und bei anderen auf der Bühne gelernt habe, kann man in keiner Schule lernen.“ 2007 stießen Elisabeth Schuen (ebenfalls Geige) und Maria Moling (Percussion) dazu und waren auch dabei, als Goisern zu seiner mittlerweile schon legendären „Linz-Europa-Konzertschifftournee“ aufbrach und einen in vielerlei Hinsicht musikalischen Meilenstein setzte.

Und es kam, wie es kommen musste. Der Münchner Promoter Hage Hein, Manager von Hubert von Goisern und Georg Ringsgwandl, war von den Ladinerinnen sofort begeistert und völlig hingerissen von der Frische und dem musikalischen Können, mit der Ganes ihre Lieder interpretierten. Und er tat das, was ein Mann in seiner Branche immer tut, wenn ihn Newcomer überzeugen: Nach Möglichkeiten suchen, die Gruppe bekannt zu machen. Sein größtes Problem dabei: Wie bringt man ein mittlerweile in ladinischer Sprache aufgenommenes Album in die Läden, wie in die Medien und schlußendlich an die Hörerinnen und Hörer? Dazu gibt es eine wunderbare Geschichte.

Hage Hein schickte im Herbst 2010 die erste Ganes-CD „rai de soredl“ an den Chef der Musikabteilung eines Senders und bat um Berücksichtigung. Die Antwort kam postwendend: „Deine Bayern und Österreicher mögen ja gerade noch so durchgehen. Aber Pop auf Ladinisch? Kann ich nicht brauchen! Ende der Durchsage!“ Das war deutlich. Doch Hage und Ganes wollten diese kalte Abfuhr nicht einfach so hinnehmen. Spontan fuhren sie zu dem besagten Sender, schlichen sich mit ihren Instrumenten in das Gebäude und gaben dort vor etwa zwei Dutzend Rundfunkleuten ein Überraschungskonzert. Immer mehr Leute strömten herbei und waren hin und weg ob der musikalischen Qualität des Trios. Auch dem sackgroben Musikchef fielen nach den ersten Akkorden die Ohren ab. Er hievte die Musikerinnen sofort ins Studio und schon waren sie live auf Sendung. Manchmal stimmt es eben – Frechheit siegt.

Die Truppe hat sich seitdem ständig weiter entwickelt und kann durchaus in die Kategorie Weltmusik der ganz besonderen Sorte eingeordnet werden. Egal, in welchen Medien man sich schlau machen möchte über den speziellen Sound der Bachnixen, es liest sich immer so oder so ähnlich: „Ganes machen anschmiegsame und intelligente Popmusik. Wunderbares Songwriting, zart und doch zupackend, mal melancholisch und mal manisch, verführerisch luftig oft, freudvoll und erotisch zugleich, hymnisch zuweilen und dann traurig-sehnsüchtig. Da verschmelzen Computerbeats stringent mit hitziger Percussion, Geigen mit Stimmen. Selten sind sich Tradition und Moderne auf aufregendere Weise begegnet“. Und sie sind sehr authentisch geblieben. Geht ihnen die Elektronik bei ihren Konzerten auf den Geist, verzichten sie einfach auf sie. Denn sie wissen, dass bisweilen ein Piano, eine Geige, ein Flügelhorn und drei beeindruckende Stimmen vollauf genügen, um ihr Publikum zu begeistern.

Ganes` dritte Scheibe ist nun auf dem Markt. Bei einigen Stücken wechseln sie mittlerweile ins Italienische, Französische und Englische, ohne sich allzu sehr zu verbiegen oder ihre Herkunft zu verleugnen. Aktuell sind sie nun auf ihrer Herbsttournee und gastieren am 8.Oktober in der Tuttlinger Stadthalle. Ob man dieses Konzert empfehlen kann? Wer sich darüber nicht im Klaren ist, der lese den vorliegenden Text einfach ein zweites Mal. Und wer es dann immer noch nicht begriffen hat, der bleibe gefälligst zu Hause. Übrigens: Es soll noch Tickets geben: Tel.: 07461-91 09 96. Und wer vorher reinhören möchte: www.youtube.com und Ganes eingeben.

Autor: H.Reile