Edgar Selge liest im Stadttheater Konstanz

Edgar SelgeEdgar Selge gilt als einer der wichtigsten Schauspieler dieses Landes. Ausgebildet wurde er nach dem Studium der Musik, der Germanistik und Philosophie auf der Otto-Falckenberg-Schule in München. Von dort führte ihn der Weg über die Münchner Kammerspiele und das Fernsehen (unter anderem als einarmiger Kommissar Jürgen Tauber im „Polizeiruf 110“) und zum Kino („Der große Kater“). Diese Woche kommt er nach Konstanz. Für viele sicher ein Highlight im kulturellen Angebot vor Ort.

Im vergangenen Herbst hat der 73Jährige, der mit dem Adolf-Grimme-Preis, der Goldenen Kamera und dem Deutschen Fernsehpreis geehrt wurde, sein literarisches Debüt gegeben: mit „Hast du uns endlich gefunden“, einem Buch über das Erwachsenwerden, hat er eine Punktlandung hingelegt. Das Buch, das sich einer Genre-Bezeichnung verweigert, aber deutlich autobiographische Züge zeigt, wurde im Feuilleton als herausragendes Debüt bewertet. Nun liest Selge im Stadttheater Konstanz, die Veranstaltung ist eine Kooperation zwischen dem Stadttheater und der literarischen Gesellschaft „Forum Allmende“.

In „Hast du uns endlich gefunden“ (Rowohlt Verlag, Hamburg) erzählt der junge Protagonist, der mit seinem Autor den Vornamen teilt, über eine schwierige Kindheit in den 1950er Jahren. Der Vater, Jurist und Gefängnisdirektor mit einer Obsession für Musik, schlägt zu, wenn er nicht mehr weiter weiß. Die Mutter, die einen ihrer fünf Söhne beim Spielen mit einer Handgranate verliert, fühlt sich in den Haushalt verbannt. Ihr Mann belustigt sich über ihr mangelhaftes Geigenspiel. Die Kinder revoltieren spät gegen den autoritären Stil, der in der Familie herrscht. Gespräche über den Nationalsozialismus, der die Eltern bis in die Gegenwart prägt, zeigen, wie tief der Graben zwischen den Generationen ist.

Das Buch verwendet auch für die Familienmitglieder Klarnamen, nennt den Ort (Herford) wie auch Personen der Zeitgeschichte. Es ist kein klassischer „Rückblick“; Selge schreibt in Gegenwartsform und aus der Perspektive des Heranwachsenden. Selge schlägt einen Ton an, der den Leser sofort einnimmt. Das Buch hat berührende, wunderbare, aber auch komische Stellen. So etwa, wenn die Mutter nach 255 Fahrstunden bei der Fahrprüfung ins Schaufenster ihres Lieblingsgeschäfts fährt, das Krippenfiguren verkauft. Das Schlusskapitel ist dem Bruder Andreas gewidmet, der mit 19 an einer Blutkrankheit stirbt: „Ich weinte nicht. Ich war trocken, knochentrocken. Meine Gesichtszüge waren nach drei Monaten Bruder- und Elternbetreuung ausgeleiert. Mir war eher nach Grinsen zumute, so schlapp fühlte ich mich“. Ein großes Buch.

Text: Forum Allmende
Bild: Muriel Liebmann/Rowohlt

Wann? 21.5.2022 – 20:00 Uhr
Wo? Stadttheater Konstanz
Eintritt: 20,- €

Karten im Vorverkauf im Kulturkiosk
Wessenbergstraße 41
Tel.: 07531 900 2150
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