Ein wichtiges Buch über die dunklen Flecken unserer Geschichte

Keine leichte Kost: Um die Schilderungen der Wehrmachts-Massaker in Jürgen Webers Buch „Einmal Partisan – immer Partisan“ zu verkraften, sollte man ausgeschlafen sein, wach und kritisch. Denn der Konstanzer Autor schont seine Leser nicht. Ungeschminkt beschreibt er den Widerstandskampf der Partisanen im Piemont der letzten Zweiten-Weltkriegsjahre: Die Gräuel der Deutschen, den Widerstand der Italiener und unsere Unfähigkeit, mit dieser Geschichte umzugehen: Lesenswert.

Jürgen Weber macht Filme und die Drehbücher dazu, macht Kulturveranstaltungen und die Organisation dazu – demnächst: Palette 04 am 25. Juni -, schreibt Bücher und liefert die Recherchen dazu (seemoz berichtete jeweils). Bei so viel Umtriebigkeit staunt man nicht einmal, dass der gebürtige Konstanzer kaum noch in Konstanz anzutreffen ist.

Für sein letztes Buch „Einmal Partisan – immer Partisan“ musste er dann auch viel reisen und viel Zeit aufwenden. Zwischen den Jahren 1994 und 2010 entstanden so sechs Interviews mit Zeitzeugen in Italien; mit einstigen Partisanen, die noch heute mit Hunderten anderen ihre Erinnerungen alljährlich auf dem Colle del Lys, einer Berghöhe bei Turin, feiern. „Gespräche mit Zeugen der Zeitzeugen“, nennt Weber diese Begegnungen, denn mittlerweile sind die meisten seiner Gesprächspartner verstorben.

Es begann mit einer Videodokumentation, die Weber und Katrin Brüggemann Anfang der 1990er Jahre unter dem Titel „PartisanInnen im Piemont“ drehten und 1995 in der Konstanzer Verlagswerkstatt „querblick“ veröffentlichten. Damals schon lernte Weber die Marios und Guidos, Anna und Ernesto kennen, deren Interviews heute den Kern des reich bebilderten 143-Seiten-Büchleins ausmachen. Nicht nur von ihrem Partisanen-Kampf berichten sie – auch von ihrer kärglichen Kindheit, ihren Jugendsünden, ihrer Politisierung. Aber im Mittelpunkt steht ihr Kampf gegen die Faschisten, die italienischen wie die deutschen, die obendrein noch Besatzer waren. Sie erzählen von den kleinen Heldentaten ihrer Nachbarn, vom Wagemut der Frauen, von ihren Entbehrungen in den Bergen, vom Verrat der Alliierten und von den Gräueltaten der deutschen Soldaten, die Gefangene verstümmelten und Verwundete unter Bewachung verbluten ließen.

Am meisten habe ihn verwundert, erzählt Jürgen Weber, dass diese alten Frauen und Männer aus dem Piemont, die so unbeschreiblich unter den deutschen Soldaten gelitten hatten, ihm als jungen Deutschen derart offen, manchmal gar freundschaftlich begegneten. So Giuseppe Berruto, der gar einige Tage während seiner Deportation im Überlinger Stollen, einem Außenlager des KZ Dachau, schuften musste, und später eine Ausstellung von Schülern seines Heimatortes betreute, die eben diese Geschichte darstellte. Wörtlich Jürgen Weber in seinem Buch dazu:

„Beschämt hat mich die Ausstellung deswegen, weil kaum eine Schülerin oder ein Schüler in meiner Heimat am Bodensee weiß, dass aus dieser Region auch heute noch Rüstung für die weltweiten Kriege produziert wird. Geschweige denn davon Kenntnis hat, dass es am Bodensee Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen und derartige Lager der SS gab. Hier, Hunderte von Kilometern entfernt im Piemont, erarbeiten Gleichaltrige in Projekten Ausstellungen und Medienpräsentationen zu unserer Heimatgeschichte. Diese Scham habe ich empfunden und zugelassen“.

Womöglich sollte hierzulande doch noch viel bewusster an der Aufarbeitung unserer Geschichte gearbeitet werden. Jürgen Webers Buch, auch wenn es Geschichten aus dem Piemont dokumentiert, gibt reichlich Anlass dazu – über die dunklen Flecken unserer Geschichte nachzudenken

Autor: Hans-Peter Koch

Einmal Partisan – immer Partisan, 2011, Verlag Querwege Konstanz, ISBN 978-3-941585-03-4, EUR 12,95

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