Ein Requiem für das armenische Volk

In der Passionszeit geht es, obwohl draußen oft herrlichstes Frühlingswetter herrscht, in den christlichen Kirchen eher trübe zu. Das Volk fastet, das geistliche Personal sieht mit Grauen seinem österlichen Großeinsatz entgegen – und auch die Kirchenmusik hat nichts zu lachen. Die richtige Zeit also für ein nachdenkliches Konzert wie das des Konstanzer Kammerchores am Palmsonntag, 9.4., und Karfreitag, 17.4.

Für die armenische Kunstmusik des 20. Jahrhunderts steht im öffentlichen Bewusstsein nur ein Name: Aram Chatschaturian (1903-1978). Seine Kompositionen waren unter anderem von der Volksmusik seiner Heimat inspiriert, und sein „Säbeltanz“ wurde ein weltweit geschätzter Ohrwurm. Immerhin ist der die Musik zu Liselotte Pulvers nächtlich-versoffenem Tanz auf einem Ostberliner Tisch in „Eins, Zwei, Drei“ von Billy Wilder und allein schon dadurch unsterblich.

Inzwischen gibt es eine jüngere Generation armenisch(stämmig)er KomponistInnen wie Tigran Mansurian (*1939), die aber international wenig beachtet wird, was auch daran liegen mag, dass ihre Musik oft stark rückwärtsgewandt ist. Darum ist es höchst erfreulich, dass der Konstanzer Kammerchor in seinem Konzert Mansurians selten zu hörendes „Requiem für das armenische Volk“ aus dem Jahr 2011 aufführen wird. Der Komponist hat das Werk den Opfern des Genozids gewidmet, der in den Jahren 1915 bis 1917 im Osmanischen Reich an den Armeniern verübt wurde und auch die Familie des Komponisten traf.

Tigran Mansurian greift in seinem Werk die melodische und rhythmische Fülle der armenischen Volksmusik auf und verknüpft sie mit europäisch gewachsenen Traditionen. Er schreibt über sein Werk: „Ich hoffe, dass mit meiner Verbindung der alten geistlichen und weltlichen Musik Armeniens und dem lateinischen Text etwas Unerwartetes, ja mitunter durchaus Paradoxes entstanden ist.“

Mansurians Werk wird umrahmt durch das Orgelvorspiel „O Mensch, bewein‘ dein Sünde groß“ von J.S. Bach in der Bearbeitung für Streichorchester von Max Reger und den „Silounaus Song“, ebenfalls für Streicher, von Arvo Pärt. Der Kammerchor wird außerdem „Soneta de la Noche“, ein A-cappella-Stück von Morten Lauridsen auf einen Text von Pablo Neruda, zur Aufführung bringen. Den Abschluss des Konzertes bildet die Kantate „Dona nobis pacem“ des lettischen Komponisten Peteris Vasks für Chor und Streichorchester.#

Auch wenn die schrecklichen Ereignisse des Völkermords im Requiem hörbar werden und Klagetöne nicht ausbleiben, ist das Werk von Tigran Mansurian über weite Strecken auch eine Botschaft für die Zukunft. Dementsprechend will der Kammerchor dieses Konzertprogramm 100 Jahre nach dem Genozid als Mahnung zu Frieden und Versöhnung verstanden wissen.

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Lacrimosa – Passionskonzert
Ausführende: Iris-Anna Deckert, Sopran/Hans Christoph Begemann, Bariton/Konstanzer Kammerchor/Kammerphilharmonie Bodensee-Oberschwaben/Michael Auer, Dirigent

1. Konzert: Palmsonntag, 9. April, 17 Uhr, St. Stephanskirche Konstanz

2. Konzert: Karfreitag, 14. April, 17 Uhr, Evangelische Kirche Amriswil

Vorverkauf bei Buchkultur Opitz, Touristinformation Konstanz und Reservix.
Karten zu 38/32/24/16 Euro, Studiticket 7 Euro, 15 Minuten vor Beginn an der Abendkasse.
www.konstanzerkammerchor.de

MM/HEW (Foto: Kammerchor Konstanz)