Eine neue Zeitung für Konstanz

seemoz-Trojaner-BildZunächst stutzt man beim Namen: Trojaner? Dann stört man sich an der altmodischen Bleiwüste. Obendrein staunt man, welche Schreibtalente am Konstanzer Theater verborgen leben. Letztlich aber freut man sich über neuen, fesselnden, manchmal rätselhaften Lesestoff [modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal] Die Unterzeile „subversiv – impulsiv – implexiv“ scheint irgendwo abgekupfert, dennoch fragt man  nach dem Sinn von „implexiv“: Irgendwas mit Ahnenforschung oder mit Inzucht gar? Auch der Titel „Trojaner“ lässt rätseln: griechischer Freiheitskämpfer, virtueller Schädling oder einfach nur  „Eindringling“? Auskunft gibt der Intendant persönlich: „Ich wollte ja den Titel `Konstanzer Freiheit‘, aber aus der Dramaturgen-Riege kam die Idee vom ‚Trojaner‘. Auch irgendwie subversiv“. Typisch Nix halt.

Die neue Zeitung des Konstanzer Stadttheaters, werbewirksam dem „Südkurier“ beigelegt, ist in diesen Tagen zum zweiten Mal erschienen, und für das kommende Jahr sind mindestens vier weitere Ausgaben geplant. Acht Zeitungsseiten jeweils im Berliner Format „auf echtem Papier“, wie Nix im Editorial süffisant notiert: „Auch das ist eine Gegenbewegung gegen die scheinbare Moderne, gegen die Flüchtigkeit im Netz“. OK, wir haben verstanden…Und was ist mit der Bleiwüste, den ellenlangen, bildlosen Texten, dem altbackenen Layout? Das ist wohl dem Budget geschuldet, lassen die Theaterleute durchklingen, edel reproduzierte Fotos sind eben sündhaft teuer im Tiefdruck.

Aber das alles ist zweitrangig, wenn man sich denn in die Texte vertieft. Die stammen in der Mehrzahl von Dramaturgen des Stadttheaters, aber auch von freien Theatermachern, vereinzelt von pensionierten Bundesrichtern oder Oberkirchenräten, und haben nicht immer nur mit Theater zu tun. Edward Snowden ist Thema und Sklavenarbeit (im Vorblick auf die Cimmarón-Premiere im Januar). Sarah Wiederhold, Leiterin des Jungen Theaters Konstanz, schreibt über Kinderrechte und Andreas Bauer, künstlerischer Leiter der Werkstatt, über sein Faible für Johnny Cash, der im Stadttheater jüngst sogar bühnenreif war. Und wieder einmal Christoph Nix, im Nebenberuf auch Professor für Jugendstrafrecht, der sich als feinfühliger Gerichtsreporter erweist, wenn er über einen Vergewaltigungsprozess vor dem Konstanzer Landgericht berichtet.

Das ist überwiegend fesselnder Lesestoff, professionell getextet, unterhaltsam dargeboten. Über solche Konkurrenz darf man sich als Schreiberling in Konstanz nur freuen.

Autor: hpk