Film über die Cherisy: Ein Viertel in unserer Stadt
Der Konstanzer Musiker und Dokumentarfilmer Hubl Greiner (Bild) ist derzeit dabei, einen Film über das Cherisy-Areal zu drehen. Dort wurde vor rund 40 Jahren etwas geschaffen, was heute in vielen Stadtentwicklungsprogrammen als eine Art Zukunftsvision beschrieben wird. Worum geht es genau?
Hubl Greiner versucht in seinem neuen Film, die dortige Entwicklung nachzuzeichnen, mit all ihren Stärken und Schwächen. Die Dreharbeiten laufen, die Fertigstellung der Dokumentation ist für kommendes Frühjahr geplant.
Ein bundesweit beachtetes Modell
Das Cherisy-Projekt war die erste selbstorganisierte, unabhängige Wohnungsinitiative in Deutschland und somit Vorbild für vergleichbare Initiativen, die bundesweit entstanden sind. In dem gemeinnützigen Beschäftigungs- und Bildungswerk werden heute 123 Wohnungen auf dem ehemaligen Kasernengelände bewirtschaftet. Zu dieser Initiative gehören auch handwerkliche Betriebe, soziale und kulturelle Einrichtungen, Sport- und Spielplätze, eine Kindertagesstätte, Werkstätten, Ateliers, Studios und Gewerbetreibende.
Greiners Film soll Einblick in dieses Projekt verschaffen: Wie sieht ein Viertel aus, das von seinen BewohnerInnen in basisdemokratischer Selbstverwaltung betrieben wird? Wofür stehen solche gemeinschaftlichen BürgerInnenprojekte? Wie lebt es sich dort? Was sind die Vor- und Nachteile? Der Film soll Debatten anregen und Begegnungen schaffen. Zugleich dokumentiert der Film ein interessantes Stück Konstanzer Zeitgeschichte.
Vorläufer Fischmarkt
Im Frühjahr 1980 kaufte die Stadt das ehemalige Fernmeldeamt am Fischmarkt und plante dort ein Parkhaus. Auch damals schon suchten viele eine bezahlbare Wohnung, oft ohne Erfolg. Schließlich wurde der Fischmarkt im August 1980 besetzt Rund 50 Menschen fanden dort eine neue Bleibe und renovierten das Gebäude auf eigene Kosten. Die Konstanzer Verwaltung wurde von dieser Aktion völlig überrascht, schien wie gelähmt und sah vorerst von einer Räumung ab.
Nach und nach zogen in das Gebäude auch diverse Initiativen ein, unter anderem die Freie Grüne Liste, die Redaktion der damaligen Stadtzeitung Nebelhorn, die Arbeitsloseninitiative und die Konstanzer Schwulengruppe HIK. Im schnell eingerichteten Veranstaltungsraum „Fischkult“ gab es Konzerte und Lesungen. Ein buntes und pulsierendes Leben entstand mitten im Herzen der Stadt, kritisch beäugt von Konstanzer Bürgerseelen, die nicht glauben wollten, was sich da in ihrer Stadt abspielte. Nach knapp vier Jahren wurde das Gebäude unter großem Protest dann doch geräumt und abgerissen. Klar ist aber: Ohne den besetzten Fischmarkt hätte es das Projekt Cherisy ziemlich sicher nicht gegeben.
Hubl Greiner wird auch dieses Kapitel in seinem Film beleuchten. Dafür sucht er noch Material aus dieser Zeit – Plakate, Fotos, Flugblätter – was auch immer damit zu tun hat. Wer solches zur Verfügung stellen kann, wende sich bitte direkt an ihn: hubl@hubl.com
Vielen KonstanzerInnen ist Hubl Greiner auch als ehemaliger Kopf der deutschen Kultband „THE BLECH“ bekannt, sowie als Produzent zahlloser Acts und innovativer Projekte. Wer mehr wissen will, wird hier fündig: https://www.hubl.com
Text: hg/hr
Bilder: H. Reile