Flucht über den Seerhein

Mit Spannung warten viele KonstanzerInnen auf die Ausstellung „Das Tägermoos/Ein deutsches Stück Schweiz“, die am 16.7. im Rosgartenmuseum eröffnet wird. Die Ausstellung widmet sich einem Stück deutsch-schweizerischer Nachbarschaftsgeschichte der ganz besonderen Art. Doch die Idylle Tägermoos ist nicht nur ein 150 Hektar umfassendes Grünland mit Gemüsefeldern, Gewächshäusern, einem Badeplatz und vielen Kleingärten. Während der NS-Zeit war es auch meist rettendes Ufer für Verfolgte des Regimes.

In den späteren Kriegsjahren versuchten bei den Firmen Herosé und Stromeyer zur Zwangsarbeit verpflichtete russische Kriegsgefangene, über den Seerhein in die rettende Schweiz zu schwimmen. Ein gefährliches Unterfangen, denn auf beiden Seiten des Ufers waren große Scheinwerfer der Flugabwehr aufgebaut, die den Seerhein taghell erleuchteten.

Eines Nachts sahen mehrere dienstverpflichtete Gemüsegärtner auffällige Blechkanister durch den Rhein treiben. „Blechbüchsen schwimmen nicht so“, stellte einer der Männer fest. Daraufhin löschten diese gutwilligen Grenzwächter die Scheinwerfer, denn sie ahnten: Das waren Flüchtende. In der Tat hatten sich die Zwangsarbeiter, wie sich später herausstellte, in den Betrieben große Blechbüchsen besorgt; sie hatten sie mit Sehschlitzen versehen und waren, unter den Büchsen verborgen, durch den Seerhein geschwommen, die Kleidung in wasserdichtem Segeltuch auf den Rücken gebunden.

Als sich solche Fluchtversuche häuften, wurden Soldaten der Garnison ans Ufer gestellt mit dem Befehl, auf alles zu schießen, was nachts im Rhein schwamm. Von einem Zwangsarbeiter, der es über den Seerhein schaffte, ist bekannt, dass er einem hilfsbereiten Konstanzer Arbeitskollegen eine Postkarte schrieb. Im vereinbarten Code teilte er mit, er sei gut bei seinem „Onkel in der Schweiz“ angekommen.

te/hr

Bild: Flucht kaum mehr möglich: Deutsche Hilfsgrenzer patroullierten während des Krieges Tag und Nacht entlang des Grenzzauns zur Schweiz. Das Foto aus dem Jahr 1940 wurde uns vom Rosgartenmuseum zur Verfügung gestellt.

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