Freunde reimen sich nicht
Gedichte von Beat Brechbühl und Kurt Aebli
Jochen Kelter, selbst Lyriker, widmet sich dem Werk zweier Dichter aus dem schweizerisch-deutschen Grenzgebiet. Beide haben unlängst die literarische Landschaft (nicht nur) der Region um neue Gedichtbände bereichert.
Beat Brechbühl ist nicht nur der Autor des „Kneuss“ und Vater des „Schnüff“, er hat auch seit seinen Anfängen immer Gedichte geschrieben. Eine von ihm selbst besorgte Auswahl vor allem aus älteren, vergriffenen Bänden, dafür weniger aus noch greifbaren, dazu noch nie in Buchform gedruckte sind im vergangenen Sommer zu seinem 80. Geburtstag erschienen. Gefeiert hat man ihn zwar, seine Gedichte blieben weitgehend unerwähnt.
In allen diesen Poemen erweist sich Brechbühl als das schiere Gegenteil eines hermetischen oder Autors mit einem strengen stilistischen Programm. In allen frönt er einer Sprache, wie sie ihm gewachsen unter den Schreibstift kommt. Typisch einer seiner Buchtitel: Traumhämmer. Und auch Beatnik kommt einem angesichts seiner direkten, oft spielerischen Sprache und eines persönlichen Anarchismus in den Sinn. „Ich bin dort, wo Formalitäten unnötig sind“, heißt es in einem Gedicht aus den 70er Jahren. Brechbühl schreibt über Arbeit, Reisen, Mühsale, Freuden, vor allem aber auch über Freundschaft: „Freunde reimen sich nicht“. Poesie ist das eine, Freundschaft das andere. Das Leben lässt sich sowieso nur im Nachhinein in Literatur übersetzen, nachzulesen in Das Wesen der Wirtshausgespräche (aus den späten 90er Jahren). Wein und Gespräche haben den Gesprächspartner überwältigt, und mit Verspätung am nächsten Morgen auch den Autor: „Und ich dachte, langsam wird es auch / für mich ein / irrer / Abend“.
Bei der Lektüre aus so vielen Jahren überraschen dann nicht Gedichte über verschiedene Orte auf dem Erdball, sondern Brechbühls immer wiederkehrende Gedichte über Bilder und Maler von El Greco über Caspar David Friedrich, Frans Hals, Ferdinand Hodler bis zu Adolf Dietrich. Erstaunlich aber ist das eigentlich nicht, kennt man seine zweite Liebe und Begabung als Gestalter, Grafiker und Typograph.
In dem Gedicht „Punktuell“ in dem neuen Gedichtband En passant von Kurt Aebli heißt es „Vom Befund, mir selber / im Weg zu stehen, / punktuell erlöst“. Das könnte als Programm über dem Band, aber auch ganz allgemein über dem lyrischen Oeuvre von Aebli stehen. Seine Gedichte sind seit langem dem Schweigen abgeschaut, der Lautlosigkeit abgerungen, als müsse jede Zeile der Stille und der Unscheinbarkeit entwunden werden. „ein bescheidener bach / bespricht kaum Nennenswertes / mit sich selbst.“ Die Natur genügt sich selbst, sie braucht uns nicht:
Der Einzelne, das Ich sind unwichtig, wir sind austauschbar: „Ich bin / nicht weniger als / Irgendwer. / Ich bin nichts / weniger / als Irgendwer.“, so liest sich das in einem sprachlich gelungenen Kurzgedicht. Mitunter scheint sich das lyrische Ich sogar auflösen zu wollen: „und auch er sagt sich: / glücklicher bin ich / ohne / mich.“ Dagegen richtet sich der Blick immer wieder auf die Natur, ihren andauernden Umtrieb, der uns entgeht („Zeichen / für alles, was / gleichzeitig überall / in Bewegung ist“) und die gleichzeitige Langsamkeit, die uns fremd bleibt. „Die Schnecke hatte die Zeit /“ – während der Betrachter seine Auge in ferne Höhen schweifen ließ – „genutzt / das Hochplateau / erstiegen / des linken Schuhs.“
Dazu gesellt sich die hartnäckige romantische Vorstellung der Versöhnung des Ich mit der Natur: „Das Plätschern eines Rinnsals / zum Beispiel / raunt mir zu, / wie ich ohne mich / bei mir / sein kann.“
Jochen Kelter (Fotos: Wolfbach Verlag)