Frohes Fest in Petershausen
„Früher war mehr Lametta“: Der legendäre Loriot-Satz mag Pate gestanden haben für Fitzgerald Kusz und sein modernes Volkstheater-Stück „Lametta“, vom Theater Konstanz am Samstag als eine von drei Premieren zum Spielzeit-Start auf die Bühne gebracht. Wie Weihnachten, der Deutschen heiligstes Familienfest, da demaskiert wird, wird nur noch wenige erschüttern – den meisten wird es zum vergnüglichen „Déja-vu“ eigener Festerlebnisse, wie die zahlreichen Lacher und der häufige Szenenapplaus beweisen
Die Komödie mit Tiefgang zeigt einmal mehr, warum das „Konstanzer Stadttheater zu den besten Bühnen abseits der Metropolen“ zählt, wie ‚Theater heute‘, die wohl wichtigste deutschsprachige Theaterzeitschrift, meint. Was das Ensemble da auf die viel zu kleine Bühne zaubert, was die Regie da an Einfällen produziert – das ist mehr als Slapstick-Show, mehr als Komödienstadel, das ist richtig gutes, unterhaltendes Theater. Unter erschwerten Bedingungen.
Denn erst am 23.11. kann „Lametta“ erstmals nach der Sanierung im großen Haus des Stadttheaters gezeigt werden; bis dahin müssen die Theaterleute noch Vorlieb nehmen mit Sälen und Bühnen, die keine Theatersäle und -bühnen sind – in der Altstadt, in Allmannsdorf oder eben im Zentrum für Psychiatrie Reichenau, wo die Premiere über die Bühne ging. Der Festsaal dort mit dem, pardon, Charme eines Gemeindezentrums der 50iger Jahre, mit einer Bühne, wie ich sie aus der Aula meines ehrwürdigen, auch schon 150 Jahre alten Gymnasiums kenne, mit nur nachträglich montierten Bühnenscheinwerfern, mit mieser Akustik und mangelhafter Lüftung verlangt dem Regisseur, den Bühnenbildnern und erst recht den Darstellern viel Spontanität und Flexibilität ab. Und manches Mal geht es dann auch nicht ohne Fehltritt ab, wie ein ungewollter, glücklicherweise folgenloser „Abgang“ während der Premierenaufführung zeigte.
Doch Regisseur Christian Lugerth und das Ensemble meistern solche Schwierigkeiten. Da gerät dann der Weihnachtsbaum zur spaßigen Miniatur, die Festtafel zum Ausziehtisch und der Balkon, auf dem Schwager Lutz (famos in den Tanzszenen: Ralf Beckord) ausgenüchtert wird, verschwindet nur zur Hälfte hinter dem Vorhang. Mit enormer Spielfreude – herausragend Bernhard Leute als Werner, Sparkassenleiter aus Petershausen, und Rose Kneissler, seine Mutter, die fortlaufend ihre letzten Weihnachten feiert – gelingt den Schauspielern trotz aller Widrigkeiten wahre Theateratmosphäre.
Dazu trägt ganz wesentlich Stefan Gansewig bei. Das Konstanzer Musikoriginal tritt zwar nicht – wie angekündigt – als Bob Dylan im Engelskostüm auf, schafft aber mit seinen Gitarrenklängen vermeintlich heimelige Feststimmung. Und der Regietrick mit den Dialekten funktioniert: Mal badisch, mal schwäbisch, dann auch schwyzerdütsch oder sächsisch (besonders charmant: Carolin Maiwald als Natascha mit russischem Akzent und, geradezu virtuos, Alissa Snagowski bei ihrem schweizerischen Solo mit Akkordeon-Begleitung) sorgen die Darsteller für heimatlichen Flair. Nicht störungsfrei, aber stets liebenswert.
Für die 150 Zuschauer im nicht ganz gefüllten Reichenauer Festsaal ein vergnüglicher Abend – kein tiefschürfendes Theatererlebnis, aber richtig gute Unterhaltung. Und das ist doch schon etwas in Zeiten, in denen „Wetten, dass…“ allüberall als TV-Spaß hoch gejubelt wird. Die Premieren-Besucher jedenfalls dankten es mit zahlreichen Lachern, häufigem Szenen- und lang anhaltendem Schlussapplaus.
Autor: hpk
Weitere Aufführungen: Freitag 12.10 – 20:00, Hofhalde, Samstag 13.10 – 20:00, Hofhalde, Samstag 20.10 – 20:00, Gemeindesaal St. Martin Wollmatingen, Sonntag 21.10 – 20:00, Gemeindesaal St. Martin Wollmatingen, Freitag 26.10 – 20:00, Altes Rathaus Allmannsdorf, Samstag 27.10 – 20:00, Altes Rathaus Allmannsdorf, Freitag 02.11 – 20:00, Restaurant Seerhein, Samstag 03.11 – 20:00, Restaurant Seerhein, Freitag 09.11 – 20:00, Hofhalde, Samstag 10.11 – 20:00, Hofhalde, Freitag 23.11 – 20:00, Stadttheater, ab dann jeweils 20 Uhr, Samstag 24.11, Dienstag 27.11 – Mittwoch 28.11, Freitag 30.11, Donnerstag 06.12, Freitag 07.12 – 19:30, Stadttheater, Samstag 15.12 – 20:00, Stadttheater.