Für alle, die über Stolpersteine stolpern

30 000 Stolpersteine hat Gunter Demnig in den letzten 20 Jahren in ganz Europa verlegt, 103 allein in Konstanz. Seit sechs Jahren kümmert sich vor Ort die Initiative „Stolpersteine für Konstanz – Gegen Vergessen und Intoleranz“ um die Recherche der Nazi-Opfer-Biografien, um die Organisation der Verlegungen und um die Betreuung der zahlreichen Zeitzeugen, die aus der ganzen Welt nach Konstanz kommen, um der jährlichen Zeremonie beizuwohnen. Jetzt dokumentiert eine Ausstellung diese Arbeit.

seemoz sprach mit Petra Quintini (s. Foto), Mitglied der Stolperstein-Initiative und eine der Organisatorinnen der Ausstellung, die vom 26. Januar bis zum 19. Februar 2012 im Gewölbekeller des Konstanzer Kulturzentrums gezeigt wird. Die Vernissage ist am 26. Januar um 18.00 Uhr. Anschließend wird anlässlich des Holocaustgedenktages eine Veranstaltung mit der Zeitzeugin Ruth Schwarzhaupt stattfinden.

Wie bist Du zur Stolperstein-Initiative gestoßen?

Aufmerksam wurde ich durch einen seemoz-Bericht über eine Stolperstein-Verlegung – das muss 2007 gewesen sein. Die erste Zeremonie dieser Art fand wohl 2006 statt, aber die Initiative „Stolpersteine für Konstanz – Gegen Vergessen und Intoleranz“ gibt es schon länger. Sie wurde ins Leben gerufen von hiesigen Antifaschisten, doch mittlerweile arbeiten viele Angehörige von Nazi-Opfern und andere, historisch Interessierte regelmäßig mit, die sich zum Beispiel als Paten für eine Stein-Verlegung eingebracht haben und sich nun regelmäßig auch an der Recherche beteiligen.

Wie muss man sich diese Recherche-Arbeit vorstellen? Woher kennt Ihr die Opfer, wie findet Ihr deren Spuren?

Im Laufe der Zeit haben sich Spezialisten heraus gebildet. Da gibt es den Lehrer, dessen Großmutter der Euthanasie zum Opfer fiel und der seitdem auf diesem Gebiet forscht. Da gibt es den Archivar, der sich mit Gerichtsakten auskennt, und immer wieder neue Spuren findet. Und es entstehen Querverbindungen während der Recherchen. So stieß ich vor kurzem auf eine Adressen-Verbindung nach Aurich in Ostfriesland, wir entdeckten eine Verbindung zu einer Opfer-Familie in Konstanz – mittlerweile gibt es eine erste Stolperstein-Verlegung auch in Aurich. Und es sind aus unserem Kreis bereits einige Bücher entstanden, die über Opfer-Familien und die Erforschung ihres Schicksals berichten.

Über diese, Eure Arbeit wird Anfang des Jahres im Gewölbekeller des Konstanzer Kulturzentrums im Rahmen einer Ausstellung berichtet. Wie muss man sich diese Präsentation vorstellen?

Wir werden in Dokumenten und Fotos die Opfergruppen aus Konstanz darstellen: Juden, politisch Verfolgte – Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter – Jehovas Zeugen zum Beispiel. Prominente und längst Vergessene. Und – das ist unüblich in der sonstigen Stolperstein-Präsentation – auch Überlebende. Mich ganz persönlich hat zum Beispiel die Aussage einer Angehörigen eines Konstanzer Opfers, die jetzt in den USA lebt, motiviert: „Mein Hass hat durch diese Stolperstein-Verlegung aufgehört“. Dazu will auch diese Ausstellung einen kleinen Beitrag leisten.

Und wer soll sich, Jahrzehnte nach diesen Schandtaten, noch heute für eine solche Schau interessieren?

Alle, die über Stolpersteine in unserer Stadt stolpern. Im letzten November haben wir Mahnwachen an den bisher verlegten Stolpersteinen organisiert – die Resonanz in der Bevölkerung war erstaunlich: Viele, auch Schulklassen, beteiligten sich an der Aktion, manche, zunächst bloß Passanten, blieben andächtig stehen. Solche Menschen wünschen wir uns auch als Besucher unserer Ausstellung.

Autor: hpk

 

Weitere Links:

Aktion, Mahnwache und Lesung zum 9. November

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