Glotzt nicht so romantisch

Der junge Bert Brecht feierte 1922 mit seinem Stück „Trommeln in der Nacht“ einen ersten großen Theatererfolg. Das Stück ist in den nächsten Tagen in einer Wiederaufnahme in Radolfzell zu sehen. Außerdem bietet die Zeller Kultur in diesem Winter Wolfgang Hildes­heimers herrlich absurden Theaterklassiker „Die Verspätung“, Musik von Indie-Folk bis Poesique, Vorträge – und für Kinder und Eltern gibt es das Weihnachtsmärchen „In der Räuberhöhle“.

„Bald nach Ausbruch der sogenannten deutschen Revolution, kam in meine Münchner Wohnung ein sehr junger Mensch, schmächtig, schlecht rasiert, verwahrlost in der Kleidung. Er drückte sich an den Wänden herum, sprach schwäbischen Dialekt, hatte ein Stück geschrieben, hieß Bertolt Brecht. Das Stück hieß ‚Spartakus‘. Im Gegensatz zu der Mehrzahl der jungen Autoren, die, wenn sie Manuskripte überreichen, auf das blutende Herz hinzuweisen pflegen, aus dem sie ihr Werk herausgerissen hätten, betonte dieser junge Mensch, er habe sein Stück ausschließlich des Geldverdienens wegen verfasst.“

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Kot und Not

So nüchtern schildert Lion Feuchtwanger seine erste Begegnung mit dem damals noch unbekannten Bert Brecht, dessen Stück ihn auf Anhieb überzeugte: „Einer hat Kot und Not des Krieges mitgemacht, war gefangen in Afrika, Knochen und Mark sind ihm verdorrt, wie durch ein Wunder ist er herausgekommen. Und nun ist er zurück, und sein, des Verschollenen, Mädel hat ein anderer, und von dem anderen hat sie ein Kind im Bauch, und er ist lächerlich, ein Gespenst, ganz fehl am Ort, und ohne Geld“ – mit mehr Vorschusslorbeeren konnte man eine literarische Karriere kaum starten. Brecht hatte denn auch seit der Uraufführung am 29. September 1922 mit seinem in „Trommeln in der Nacht“ umbenannten Werk, das vor dem Hintergrund des Weltkrieges und der revolutionären Bewegungen in Deutschland spielt, großen Erfolg, und der Theaterraum war von dem jungen Bühnenrevoluzzer mit Sprüchen wie „Glotzt nicht so romantisch“ dekoriert. Das Stück wird am 30. und 31.10. sowie am 01.11. in Radolfzell gespielt. Am 06. und 07.11. folgt ihm dann Wolfgang Hildesheimers „Die Verspätung“, ein Werk von 1961 in der Tradition des absurden Theaters, wie es etwa durch die Stücke von Samuel Beckett oder Eugène Ionesco international bekannt wurde.

Poesique

Zwei Konzerte in ungewöhnlichen Besetzungen werfen ihre Schatten voraus. „Joseh“ etwa lässt am 14.11. über einem klassischen Gitarre-Bass-Fundament eine Harfe und Instrumente wie Maultrommel und Psalter tänzeln und rüttelt genüsslich an Hörgewohnheiten. Die Songs lassen immer wieder die vielfältigen Ursprünge philippinischer Musik aufleben und bearbeiten Themen wie Fremdheit, Vertrautheit, Suche und Neugier. „Poesique“ hingegen bettet Texte in die Klänge von Cello und Akkordeon ein. Die aus Madrid stammende Cellistin Patrycia de la Fuente Lorenzo und der in Berlin lebende Akkordeonist Gerhard A. Schiewe spielen am 05.12. den Tango in eigenen Arrangements und faszinierenden Interpretationen, dazu erzählen die Texte von Heidrun Annemarie Hoss von Liebe und Vergänglichkeit.

Wer es prosaischer mag, kann sich von zwei Vorträgen inspirieren lassen. Ulrike Griesing-Kessler berichtet am 10.11. von ihren vielfältigen Erfahrungen in der Sterbebegleitung, ihren eigenen Lebenserfahrungen und warum sie das Sterben für das Wichtigste im Leben hält. Johannes Stüttgen, für den Joseph Beuys eine wichtige Inspiration ist, spricht dann am 27.11. über das Thema „Der Freiheitsimpuls wirkt …“ und veranstaltet dazu am nächsten Tag ein Seminar.

Alles Theater

Vier junge Mädchen zwischen 15 und 17 Jahren mit völlig unterschiedlichem Hintergrund haben eines gemeinsam: Sie haben eine Straftat begangen, die sie in den Arrest geführt hat. Ohne Möglichkeit, ihrem Frust durch Flucht oder Gewalt zu entkommen, sehen sie sich dort gezwungen, sich mit ihren gegensätzlichen Lebensauffassungen auseinanderzusetzen. Gemeinsam mit der Leiterin Anny de Silva hat sich die Jugendgruppe des Theaters in der Zeller Kultur dieses Stück selbst erarbeitet. Dabei steht „JAA“ für die Abkürzung des Wortes JugendArrestAnstalt und gleichzeitig für den bejahenden Aufruf, Lebenssituationen und Menschen offen zu begegnen. Das Stück ist für Menschen ab 12 Jahren empfohlen, der Eintritt ist frei, und der Hut wird rumgehen. Aufführungen am 19. und 20.12. sowie am 15. und 16.01.

Natürlich darf in der Vorweihnachtszeit auch das Weihnachtstheater für Kinder nicht fehlen. In diesem Jahr gibt es „In der Räuberhöhle“ aus „Maria’s kleiner Esel“ von Gunhild Sehlin. Darin geht es unter anderem um Joseph, der in den letzten Wochen immer bis lang in den Abend hinein gearbeitet hat, damit er Maria einen besonderen Wunsch erfüllen konnte. Da das Geld trotzdem knapp war, konnte er nur einen sehr bockigen und struppigen Esel für Maria kaufen. Was der Esel, die Schafe, Maria und Joseph auf Ihrer langen Reise durch das Wüstengebirge an Wundersamem erleben, erzählt dieses Kinderstück …


Wo: Haus Fürstenbergstr. 7a in Radolfzell. Wann: Das Weihnachtstheater am 22.12. findet um 17.00 Uhr statt; alle anderen Veranstaltungen jeweils um 20.00 Uhr. Wie: kartenbestellung@zellerkultur.de und 07732-8233941; Programm und Kartenbestellungen finden Sie hier. Wichtig: Besucher des Zeller Kulturtheaters werden gebeten, sich gut anzuziehen, denn inzwischen lassen sich im Raum die Fenster nach allen vier Seiten öffnen, und es soll viel gelüftet werden.

MM/red (Bild: Szene aus „Trommeln in der Nacht“, Zeller Kultur e. V.)