Großstadtgewächse und Strauchtomaten
Mit ihrem Debütroman „Garten, Baby!“ schreibt die Konstanzer Autorin Christine Zureich ein wunderbar witziges Buch über alles, was da so wächst in der Großstadt, wo der knappe Platz sich geteilt werden muss: Nachbarschaften und Kräuterhochbeete. Feinsinnig, voller sprachlicher Raffinessen und mit herrlich skurrilen Gestalten schafft sie so eine Lektüre, die Lust auf Grün macht.
Doro, Anfang 30, Autorin von Schwedenkrimis, lebt mit ihrem Partner Rob, seines Zeichens Architekt, zusammen in der Dachgeschosswohnung eines Großstadthauses. Gemeinsam mit ihren Nachbarn bewirtschaften sie die Grünflächen vor dem Haus sowie hinter dem Hof. Und wie könnte es anders sein – es gibt Diskussionspotential. Wo Menschen sind, da menschelt es ja bekanntlich. Gartenzwerg oder Kräuterhochbeet sind die Fragen, die an der Oberfläche verhandelt werden, doch das Konfliktpotential treibt Wurzeln: Zwischen Stiefmütterchen und Schnittlauchtöpfen werden Lebensentwürfe verglichen, gegeneinander ausgewertet und mit Vehemenz durchgesetzt.
So begegnet Doro nicht nur Freunden, auf ihrem Weg durchs eigene kleine Paradies, wie der türkischen IT-Fachfrau Siebel mit ihrem On-Off-Partner Zeus oder Fred, der mit seinem Lebensgefährten nicht zusammenwohnt, da ihm ungefähr 25 Katzen im Weg stehen. Nein, es gibt auch neurotische Nachbarn, die mit Argusaugen über jede Bewegung in Haus und Garten wachen, wie die Dittrich – man kennt sie. Im Hausflur hofft man jedes Mal, dass sie doch bitte gerade beim Einkaufen sein möge, aber natürlich ist sie das nicht und kommentiert den eigenen Alltag spitz und schwiegermütterlich. Ein Dorn in Doros Leben, die krampfhaft versucht, jegliche Form des Spießertums zu vermeiden. Ein Urban Garden ist die Utopie, an der sie baut und dazu gibt es einige Tipps im Buch: Sauerkrauttöpfe als Pflanzgefäße, Klopapierrollen zum Anziehen der Setzlinge und niemals umgraben, denn das zerstört die Bodenschicht! Außer das Leben kommt einem in die Quere und man muss sich ordentlich abreagieren. Dann ist auch die Bodenkultur mal egal.
Die Konstanzer Autorin Christine Zureich, selbst von Frankfurt an den Bodensee verpflanzt, beschreibt ihre skurrilen Charaktere bis ins kleinste Detail, allesamt Personen, die sehr lebendig in diesem modernen Gärtchen ein und aus gehen. Bleiben wir beispielsweise bei der Dittrich. Eine ins Alter gekommene Dame mit Hausmantel und Turbanen, eine „typisch deutsche Kombination aus Diva und Blockwart“, wie Zureich erklärt. Daher auch der Name: „Wie der Dietrich, das Werkzeug, mit dem sie sich gerne Zugang zu allen Wohnungen verschaffen würde, um gründlich herumzuschnüffeln. Andererseits natürlich wie die Dietrich. Marlene, der Ufa-Star. Klanglich passend abgewandelt, das kurze ‚i‘ mit dem Doppel-‚t‘: Dittrich statt Dietrich.“
„Garten, Baby!“ ist ein herrlich leichter Roman, den man am besten im Liegestuhl liest (geht ja auch am Ofen). Er liefert reichlich Ideen fürs eigene Beet und erzählt dazu über Freundschaften, die Liebe und Begegnungen im Leben, die nicht planbar sind. Wie eben auch in einem Garten. Man kann stets mit bester Absicht pflanzen und weiß doch nie so genau, ob es was wird … Am schönsten dabei sind die sprachlichen Raffinessen, die sich im Text verborgen halten. Doppeldeutigkeiten von Begriffen greift die Autorin mit einer feinfühlig ironischen Art auf, die einen ganz eigenen Humor birgt und vergnüglichen Lesestoff bietet.
Veronika Fischer
Christine Zureich: „Garten, Baby!“, Ullstein Verlag, 2018, 176 Seiten.