Happy Hour für die Ohren
Heute Abend tritt die Südwestdeutsche Philharmonie im Konzil erstmals mit ihrem neuen Chefdirigenten auf. Beginnt damit eine neue musikalische Ära in Konstanz? Diese Frage wird man erst in einigen Jahren beantworten können. Man darf jedenfalls gespannt sein, wie sich das Orchester künstlerisch entwickeln wird. Am Samstag gibt es dann noch eine weitere Premiere: Das Orchester veranstaltet mit seinem neuen Chef seine erste Happy Hour.
Ari Rasilainen macht den Eindruck eines nachdenklichen, dabei aber sehr humorvollen Mannes, der in sich ruht und seine Bestimmung gefunden hat. Mit Mitte fünfzig kann er auf eine jahrzehntelange Laufbahn als Dirigent zurückblicken, die ihn aus seiner finnischen Heimat um die halbe Welt geführt hat. Seit 2011 ist er, dessen Berufsleben als Geiger in Helsinki begann, zudem Professor für Dirigieren und Orchesterleitung in Würzburg, und sein Schaffen ist auf etlichen CDs dokumentiert. „Das Wichtigste im Leben aber ist für einen Dirigenten das Orchester,“ sagt er, „am besten natürlich sein eigenes Orchester.“ Man merkt ihm an, dass ihm das feste Engagement als Chefdirigent in Konstanz etwas bedeutet, während ihm die ständige Reiserei und das Leben aus dem Koffer, die ein Gastdirigentendasein mit sich bringt, lästig geworden sind. Es ist also höchst wahrscheinlich, dass er seinen Wohnsitzen in Würzburg und Ludwighafen am Rhein bald noch einen weiteren in Konstanz hinzufügt.
Drum prüfe, wer sich länger bindet …
Sowohl Rasilainen (Betonung auf der ersten Silbe) als auch der Konstanzer Intendant Beat Fehlmann betonen, dass es sich bei allen Beteiligten um Liebe auf den ersten Blick gehandelt habe. Ari Rasilainen hat mit dem Orchester bereits in Salem Strawinsky und Orff sowie im Mai 2015 in Konstanz Dvořáks Neunte aufgeführt, er weiß also in etwa, welchen Klangkörper er zu erwarten hat. Er will auf jeden Fall „ein bisschen nordischen Wind mitbringen“ und verweist darauf, dass skandinavische Klassik und Romantik eben nicht nur Sibelius bedeutet, sondern etwa auch Griegs recht unbekannte frühe Sinfonie in c-moll. Und zu Ibsens Peer Gynt gibt es ja nicht nur die berühmte Schauspielmusik von eben diesem Grieg, sondern auch eine von Harald Sæverud, die hierzulande gänzlich ungewohnt ist. Ausweislich seiner Diskografie ist Rasilainen ein ausgewiesener Kenner skandinavischer Musik und hat gewiss einige Neuheiten auf Lager, die sich zumindest als Apéro für das heimische, eher konservative Publikum eignen, das anschließend für seine Geduld mit einem der vertrauten sinfonischen Schlachtrösser belohnt wird.
Eine Win-Win-Win-Besetzung
Ari Rasilainen war bei seinen bisherigen Konzerten mit der Südwestdeutschen Philharmonie davon beeindruckt, wie schnell sich das Orchester innerhalb weniger Proben steigerte und wie es sich auch noch von Konzert zu Konzert fortentwickelte. Das Orchester seinerseits fühlte sich nach Angaben seines Intendanten bei der Zusammenarbeit mit diesem Dirigenten frei und sicher und hat deutlich für ihn als neuen Chef votiert. Ein Votum, dem sich der für diese Stellenbesetzung zuständige Gemeinderat dann am 26. Juli bekanntlich anschloss.
Das war laut Rasilainen eine Entscheidung gegen den Trend, denn viele Orchester wetteiferten derzeit darum, wer den jüngsten Chef habe, um sich dem Publikum (und den Medien) mit einem jungen Wilden statt mit einem erfahrenen Dirigenten wie ihm zu präsentieren. Für ihn sind Ehrlichkeit, eine sorgfältige Vorbereitung und ein gutes Arbeitsklima die wichtigsten Voraussetzungen für gute künstlerische Leistungen, und auf diese Faktoren wird er ja in Zukunft einen großen Einfluss haben. Auch der Proberaum des Orchesters in der Philharmonie wurde gerade gründlich erneuert, so dass einer erfolgreichen Zusammenarbeit eigentlich nichts im Wege steht.
Gern allerdings würde Rasilainen sein Orchester auch mal aus dem Publikum heraus hören, wenn es mit einem anderen Dirigenten auftritt, aber, so scherzt er, „ich kriege keine Karte, es ist ja immer ausverkauft“. Natürlich stimmt das nicht, und man kommt oft noch an Karten, aber der Trend, so nahm Intendant Fehlmann die Vorlage seines Dirigenten mit hörbarem Stolz auf, spricht weiterhin für das Orchester: Für die jetzt beginnende Saison wurden bereits über 3000 Abonnements verkauft, und das ist schon wieder ein neuer Rekord.
Klassische Appetithäppchen
An diesem Samstag, 24.09., feiert um 18.30 Uhr im Konzil übrigens das neue Format „Happy Hour“ Premiere. Ein solches Konzert dauert insgesamt jeweils 45 Minuten, es wird nur ein Stück gespielt und vorher mit Musikbeispielen erläutert, und das alles in lockerer Atmosphäre und ohne Dresscode. Beat Fehlmann will damit Menschen ansprechen, die sich bisher nicht ins Konzert trauten, weil sie klassische Musik nicht zu verstehen meinen oder weil ihnen die Konzertatmosphäre zu steif ist. An diesem Samstag stehen Mussorgskis höchst populäre „Bilder einer Ausstellung“ auf dem Programm, den jüngeren unserer LeserInnen besser als „Pictures at an Exhibition“ von Emerson, Lake und Palmer bekannt – und selbst für die mit Macht nachrückende Generation Pokémon Go ist eine spannende Dreiviertelstunde garantiert, während Papi zuhause bleiben und Sportschau gucken muss.
Einzelkarten und Abonnements gibt es unter anderem hier:
► Südwestdeutsche Philharmonie, Mo.-Fr. 09.00-12.30 Uhr, Tel. +49 7531 900-816, philharmonie-karten@konstanz.de
► Stadttheater Konstanz, Mo.-Fr. 10.00-19.00 Uhr, Sa. 10.00-13.00 Uhr, Tel. +49 7531 900-150, theaterkasse@konstanz.de
► Karten, Konzertkalender und weitere Informationen auch im Internet:
www.philharmonie-konstanz.de
Harald Borges / Foto: SWP, Patrick Pfeiffer