Ilse und sechs Jazz-Verrückte
Dass modernes Theater mehr als nur Theater macht, beweist das Stadttheater Konstanz stets aufs Neue. Aber eine Jazz-Vorlesung mit Musik-Beispielen ist dann doch reichlich ungewöhnlich für Deutschlands ältestes Theater. Und das an einem Samstagabend auf der großen Bühne. Und das mit einer 86jährigen Professorin, die doziert, aber auch singt, die aber auch mit dem Publikum spielt und scherzt. Und für so viel Ideen-Reichtum gab es dann auch Standing Ovations
Schon der Titel ließ Kurioses erahnen: Hinter „Ilse and her Satchmos“ verbergen sich „Prof.Dr. Paradiesvogel“ alias Ilse Storb, erste deutsche Jazzprofessorin, legendäre Begründerin des Jazzlabors an der Uni Duisburg, und Gründerin des Labors für Weltmusik an der Folkwang Musikschule Essen. Und das Satchmo-Sextett besteht aus ihren ehemaligen Studenten, die jetzt allesamt als Lehrer in und um Duisburg arbeiten und sich seit 1991 höchstens ein-, zweimal pro Jahr mit ihrer einstigen Hochschullehrerin zu gemeinsamen Auftritten treffen. Und da geht es immer um ihre gemeinsame Leidenschaft: Um den Jazz des Louis Armstrong.
„I can’t give you anything but love“ swingte dann auch schon als zweites Stück durch den Theatersaal. Und die größtenteils mittelalten ZuhörerInnen wippten und klatschten (einige schafften sogar den ‚offbeat‘) begeistert mit; Zwischenapplaus gab es für fast jedes Solo und Standing Ovation gar zweimal am Schluss.
Das war nicht nur der mitreißenden Musik und den famosen Interpreten zu danken (enorm emotional „black and blue“ und herausragend Gerd Debring an der Trompete), sondern vor allem der 86jährigen, nimmermüden, manchmal auch schrulligen, aber immer pfiffigen Ilse Storb. Die wusste in elf Kapiteln nicht nur Liebens- und Wissenswertes über Louis „Satchmo“ Armstrong zu berichten – sie bezauberte ihr Publikum, wenn sie durch die Reihen hüpfte, ältere Herren zum Mitmachen auf die Bühne bat oder – eher unbeholfene – Sketche bot.
So wurde das ein unverkrampft vergnüglicher (Theater)Abend mit Musikern, die Satchmo’s Motto („Ich möchte Menschen glücklich machen mit meiner Musik“) bei jedem der 12 Musikstücke wahr werden ließen, bei „Hello Dolly“ zum Mitsingen animierten und beim „St. Louis Blues“ fast zu Tränen rührten.
Und es wurde zu einem Theaterabend, der einmal mehr bewies, dass das Konstanzer Theater mehr als nur Theater kann. Da gibt es Kooperationen mit Schauspielern aus Afrika und Cuba (erst kürzlich wurde das Konstanzer Theater zum Festival in Havanna eingeladen) und gemeinsame Projekte mit jungen Theatern in Südeuropa (seemoz berichtete mehrfach). Das alles nicht nur zur Freude der Zuschauer, sondern wohl auch zur Karriereförderung der Theaterleute – so verlässt Chefdramaturg Spieckermann (s. Foto) im Frühjahr das Konstanzer Theater, um Intendant in Liechtenstein zu werden. Man sieht, kreatives Theater macht sich rundum bezahlt.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: hpk