Ist das Raubkunst?

„Eigentum verpflichtet. Eine Kunstsammlung auf dem Prüfstand“, so ist die Sonder­aus­stellung des Zeppelin Museum Friedrichs­hafen betitelt, die sehr spezielle Aspekte der noch vergleichsweise jungen Kunstsammlung beleuchtet. Von 4. Mai 2018 bis 3. Februar 2019 wird die Arbeit der Provenienzforschung vorgestellt, die in Deutschland durch den spektakulären Fall Gurlitt vor rund vier Jahren einen massiven, öffentlichkeits­wirk­samen Druck und Anschub bekommen hat.

Die sich im Dezember zum zwanzigsten Mal jährende Washingtoner Erklärung ist für die Verantwortlichen in Friedrichshafen Anlass, sich kritisch mit der Vergangenheit ihrer Kunstsammlung zu beschäftigen, sowie Arbeitsweise und Ergebnisse jetzt der Öffentlichkeit vorzustellen. Dabei geht es, vereinfacht gesagt, um das Auffinden von Raubkunst in öffentlichen deutschen Museen, Archiven und Bibliotheken und um die Rückgabe von Kunstwerken, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden, an die rechtmäßigen Besitzer und ihre Nachfahren.

Die Ausstellung markiert den Abschluss eines Projekts, das „großzügig vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg gefördert wurde“, so die Direktorin des Museums, Dr. Claudia Emmert im Pressegespräch. Provenienzforscherin Fanny Stoye und Ko-Kuratorin Sabine Mücke (s. Foto) berichteten detailreich, mit welchen Anstrengungen und Überraschungen diese Arbeit verbunden ist, welche Fragen aufgeworfen werden, wie scheinbar gesicherte Erkenntnisse sich als falsch entpuppen können, welche Netzwerke im Kunsthandel eine Rolle spielten und auch, wie sich die Nachforschungen auf die Nachfahren der Betroffenen auswirken.

Spurensuche auf dem Kunstmarkt

Die Kunstsammlung des heutigen Zeppelin Museum bestand im Grundstock aus den Beständen der Bodenseesammlung, die von 1957 bis 1996 im Friedrichshafener Rathaus beheimatet war. Sie wurde nach der sogenannten „Stunde Null“ aufgebaut, da der bisherige Kunstbesitz der Stadt Friedrichshafen 1944 komplett dem Bombenhagel zum Opfer gefallen war. Die Stadt Friedrichshafen war dadurch zwar nicht im Besitz von Werken, die zwischen 1933 und 1945 als Raubkunst erworben worden waren; jedoch erwies es sich als äußerst aufschlussreich, die Wege der Bilder und Skulpturen ins Häfler Museum nachzuvollziehen.

Hierbei spielte auch die geographische Nähe zur Schweiz und nach München eine wichtige Rolle sowie die Kontinuität von Beziehungen in der Kunsthändlerszene, die der Illusion einer Stunde Null rasch ein Ende setzten. „Nach 1945 fanden Kunsthändler und Kunsthistoriker, die eine beachtliche Karriere während der NS-Zeit aufwiesen, am Bodensee einen Rückzugsraum. Als einer der wichtigsten Agenten Hermann Görings konnte Joseph Angerer sich nach dem Zweiten Weltkrieg ein neues Leben in Friedrichshafen aufbauen. Er hatte während der Aktion „Entartete Kunst“ 1938 aus Besitz deutscher Museen beschlagnahmte Kunstwerke in die Schweiz verkauft und Göring dafür Devisen beschafft“, berichtet Ina Neddermeyer, Leiterin der Abteilung Kunst im Zeppelin Museum.

Besonders eng war die Verbindung des Berliner Kunsthändlers und Kunsthistorikers Benno Griebert mit dem Friedrichshafener Museum. Ab 1948 wieder aktiv im Geschäft, unterhielt er beispielsweise rege Geschäftsbeziehungen mit dem Münchener Kunstversteigerungshaus Adolf Weinmüller, das während der NS-Zeit zu den wichtigsten Profiteuren bei der Veräußerung von enteignetem jüdischem Eigentum gehörte. Die Nähe zur Schweiz tat ihr Übriges beim wirtschaftlichen Neubeginn der Kunsthändler. Hier zirkulierten unzählige Werke aus ehemaligem jüdischem Besitz auf dem Kunstmarkt. Besonders problematisch war dafür nicht nur der Wille zum Handel mit NS-Raubkunst, sondern die große Menge an Kunstwerken mit fragwürdiger Herkunft, die man bei einem günstigen Geschäft ohne nachzufragen in Kauf nahm.

Ampelfarben-System als Wegweiser

400 Werke wurden bislang in Friedrichshafen untersucht. Die meisten davon mit problemloser Provenienz und damit nun mit einem grünen Punkt versehen. Das Ampelfarben-System dient dazu, den Stand der Forschung transparent zu machen. Einige gelbe Punkte gibt es, was bedeutet, dass die Herkunft nicht lückenlos nachgewiesen werden kann. Zwei Werke sind mit orangefarbenen Punkten als von brisanter Provenienz markiert: Die spätgotische „Anbetung“ aus der Sammlung Herman Göring und das Gemälde „Der Blumenstrauß“ von Otto Dix, das bis 1928 Eigentum des als Juden zur Emigration gezwungenen Juristen Max Strauss war.

Das Besondere an der Friedrichshafener Ausstellung sind jedoch nicht die Forschungsergebnisse allein. Bemerkenswert ist die Dokumentation, wie die Provenienzforscherin arbeitet, und dabei nicht nur auf Archive und digitalisiertes Material zurückgreift. Besonders aufschlussreich ist die detektivische Untersuchung der Rückseiten der Kunstwerke, die in der Ausstellung ebenso gezeigt werden, wie ihre vorderseitigen Motive.

Ein Raum ist allein der Darstellung der Netzwerke des Kunsthändlers Benno Griebert gewidmet, die mit schwarzen Klebestreifen von Ort zu Ort und zu den wichtigen Kontaktpersonen führt.

Gudrun Schäfer-Burmeister

„Eigentum verpflichtet“. Eine Kunstsammlung auf dem Prüfstand.
4. Mai – 3. Februar 2019.

Zeppelin Museum Friedrichshafen, Seestr. 22, D-88045 Friedrichshafen,
www.zeppelin-museum.de.

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