Jung, böse und weggesperrt
Was treibt Jugendliche zu kriminellen Grenzüberschreitungen? Und sind Grenzüberschreitungen nicht eigentlich etwas Normales? Greifen die Sanktionierungs-Mechanismen des Staates zu früh, zu hart, zu unsensibel? Das ist das Thema einer Podiumsdiskussion des Konstanzer Stadttheaters mit Experten zum Thema „Jugendkriminalität – fördern Strafen kriminelle Karrieren?“ Stargast ist Burkhard Driest, Bankräuber, Autor, Schauspieler, der tatsächlich Selbsterlebtes beitragen kann
In der Konstanzer Spiegelhalle läuft derzeit die Inszenierung “Der Sonnenwirt”, die Premiere war am 29. Mai. Das Stück erzählt die Geschichte des Friedrich Schwan, der als Vierzehnjähriger zum ersten Mal wegen Kleinigkeiten ins Zuchthaus gesperrt wird. Sein Versuch, nach Verbüßung der Strafe in der Gesellschaft wieder Fuß zu fassen, scheitert. Kein Einzelfall, wie der tägliche Blick in die Boulevardpresse lehrt, wie auch die Vita des Stargastes der Podiumsdiskussion im Foyer der Spiegelhalle zeigt.
Burkhardt Driest, 1939 geboren (s. Foto), studierte in Kiel, Berlin und Göttingen Jura. Häufige Schlägereien und zahlreiche Frauenbekanntschaften brachten ihm einen zweifelhaften Ruhm, aber auch immer öfter Konflikte mit der Polizei ein. Am 11. Mai 1965, drei Wochen vor seinem mündlichen Jura-Examen, überfiel er die Sparkasse in Burgdorf bei Hannover. Eine seiner Jugendlieben zeigte ihn an, er wurde festgenommen.
Nach seiner Verurteilung am 1. Juli 1966 durch das Landgericht Göttingen zu fünf Jahren Zuchthaus wurde Driest in die Strafanstalt Celle eingewiesen, wo er aufgrund seiner juristischen Bildung die Vertretung der Mitgefangenen übernahm und die Anstaltsleitung mit Anträgen und Beschwerden überhäufte. Nach drei Jahren und vier Monaten wurde er 1968 wegen guter Führung vorzeitig entlassen.
Wann soll man strafen, wann nicht? – eine Frage, die noch immer so aktuell ist wie zu Zeiten Friedrich Schwans, des Sonnenwirts. Das statistisch kriminellste Alter ist 14. Laut „Bild“ sind drei von fünf Jugendlichen kriminell. Welchen Weg gehen solche Jugendlichen, die zu Intensivtätern werden? Wer oder was versagt an dieser Stelle? Und die Gegenposition: „Wenn ein Jugendlicher oder auch ein Erwachsener ein Verbrechen begeht und wir lassen ihn laufen, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass er wieder ein Verbrechen begeht, geringer, als wenn wir ihn bestrafen. Ist das Gesagte richtig…, so ist damit der völlige Zusammenbruch, der Bankrott unserer ganzen heutigen Strafrechtspflege in schlagendster Weise dargetan.“ (Franz von Liszt, 1900).
Deshalb lädt das Stadttheater am 1. Juni zu einer Podiumsdiskussion mit Experten zum Thema „Jugendkriminalität – fördern Strafen kriminelle Karrieren?“ ein. Beginn ist um 18 Uhr im Foyer der Spiegelhalle. Der Eintritt ist frei. Mit Burkhard Driest, Bankräuber, Autor, Schauspieler; Gerhard Spiess, Kriminologe und Soziologe, Universität Konstanz; Prof. Michael Günter, Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Tübingen; Barbara Reifler, Leitende Jugendanwältin der Staatsanwaltschaft Thurgau. Die Moderation hat Ute Seifried, Leiterin Jugend- und Sozialamt Konstanz.
Übrigens: Gleich im Anschluss an die Diskussion gibt es um 20 Uhr in der Spiegelhalle eine „Sonnenwirt“-Vorstellung. Weitere Aufführungen sind am 2.,7.,8.,9., 20. und 22.6., jeweils um 20 Uhr in der Spiegelhalle.
Autor: PM/hpk