„Konstanz am Meer“: Mehr davon

20140629-234641-85601011.jpgWer immer schon für ein Sommer-Theater-Festival auf dem Konstanzer Münsterplatz war, fühlt sich durch „Konstanz am Meer“, der Theaterpremiere zur Konzilfeier, vielfach bestätigt: Großes Theater vor großer Kulisse, ein Kunstabend mit Ohrenschmaus und eine so gar nicht erwartete, pfiffige Kritik am Konzilfeier-Einerlei: Mehr davon

Wem immer schon die Planungen der Konzilfeier-OrganisatorInnen zu pastoral, allzu weihevoll daher kamen, der sieht sich durch die ersten Vorstellungen des Open-Air-Stücks auf dem Münsterplatz bestätigt: Das Konzil war ganz anders als die Schönwetter-Planer und gemeinderätlichen Jasager uns glauben lassen möchten. So prangern derbe Dialoge zum Beispiel den Reliquien-Kult an, rücken den Ablass-Handel ins rechte Licht und gehen mit der Kirche in fast jeder Szene ins Gericht. Wer dem Autorenpaar Walser/Ott glauben mag, versteht, dass dem König Sigismund die Einheit der Kirche reichlich schnuppe war – ihm ging es allein um die Kaiserkrone. Und den Papst kümmerten neben seinen Pfründen höchstens noch die Hübschlerinnen.

Da wundert es nicht, dass schon zur Pause einige ZuschauerInnen, die den Münsterplatz nur vom Kirchgang kennen, schnaubend-schimpfend die Freilichtbühne verließen. Ihnen war offensichtlich der feine Wortwitz und die spöttische Ironie entgangen – solchem Umgang mit ihrer Kirche wollten sie nicht länger hinnehmen.

Hus, Hus, Hurra

Dass dabei der Ketzer Jan Hus allgegenwärtig ist, bleibt nur wenigen verborgen – das vielstimmige „Hus, Hus, Hurra“ sollte mittlerweile auch in der Südkurier-Kulturredaktion angekommen sein. Der elegante Regie-Kniff, die Zuschauer nach der Pause durch das Münster auf die Bühne zu lotsen und sie dabei mit Originaltexten von Hus zu beschallen, verpuffte womöglich, denn längst nicht allen war klar, mit wessen Worten sie da konfrontiert wurden; eine erklärende Tafel wäre womöglich hilfreich gewesen. Wie überhaupt mancher Regie-Einfall das Publikum überforderte – dass Chronist Richental in die Rolle des schweigsamen und später verdursteten „Humanisten“ geschlüpft war, ist vielen entgangen. Und damit leider auch die tiefere Bedeutung dieser Idee.

Was nichts gegen die fantasievolle Inszenierung des Johannes von Matuschka sagen soll. Im opulenten Bühnenbild von Beate Faßnacht gelingen dem jungen Regisseur viele überraschende Gags – die Gummi-Lilien zum Beispiel (bekommt da die Mainau ihr Fett weg?) oder die Feuer-Spiele, die den Scheiterhaufen unvergesslich machen. Und dazu gehört auch der ungemein wirkungsvolle Musiker-Einsatz (musikalische Leitung: Stefan Leibold), wenn die Bläser mehrfach von der Münster-Empore auf die Bühne wechseln.

So wird Geschichte von unten erzählt

Die treffenste Volte des Dramas allerdings ist dem Autorenpaar gelungen. „Geschichte von unten“ wird erzählt, wenn die Hauptpersonen Hintz und Kuntz (vortrefflich: Ralf Beckord und Andreas Haase) abends im Wirtshaus ihre Tageserlebnisse im Umgang mit den Herrschaften preisgeben und die Stammgäste die vermeintlichen Weltereignisse schamlos kommentieren. Da wird kein Blatt vor den Mund genommen, da wird geflucht, gesoffen, gefurzt und gevögelt. Und dabei Wahrheiten ausgesprochen, die vielen zu weit gehen.

Solche handfeste Bühnenpräsenz kann ohne vortreffliche Darsteller nicht gelingen. Und da zeigt wieder einmal das kleine Konstanzer Ensemble seine Klasse: Was Julia Ludwig als Hübschlerin Selma auf die Bühne bringt oder Jana Rödiger – nicht zum ersten Mal – als Wirtshaustochter Berta, ist satte Schauspiel-Lust. Höchstens die viel gelobte Gabi Geist füllt die starke Frauenrolle der Wirtin Haefelin nichts vollends aus.

Festival auf dem Münsterplatz?

Doch das ist eigentlich ungerecht, einzelne aus dieser Crew hervorzuheben. Denn die Kostüme der Tanja Liebermann sind ebenso überzeugend wie das Spiel von Axel Fündeling als König Sigismund oder die Darstellung des Papstes von Zeljko Marovic, der nach anfänglichen Schwächen im Ensemble angekommen zu sein scheint.

So wird die Drei-Stunden-Vorstellung mit einem starken Stück, einer wahrlich imposanten Kulisse, mit einer ebenso fantasievollen wie stringenten Regie und beeindruckenden Schauspielern zu einem Theaterabend, der nicht so schnell vergessen wird. Und wahrscheinlich nicht nur der Schreiberling freut sich auf Fortsetzungen mit neuen Stücken, neuen Ideen und einem neuen Sommerfestival auf dem alten Münsterplatz.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]

Autor: hpk

Weitere Aufführungstermine:

Di. 01.07. / Do. 03.07. /Sa. 05.07. / So. 06.07. / Mi. 09.07. / Do. 10.07. / Fr. 11.07. / Sa. 12.07. / Di. 15.07. / Mi. 16.07. / Fr. 18.07. / Sa. 19.07. / So. 20.07. / Di. 22.07. / Mi. 23.07. / Do. 24.07. / Fr. 25.07. / Sa. 26.07. jeweils um 19 Uhr.