Kultur, die Nähe schafft – „mit Abstand“
In der derzeitigen schwierigen Situation gibt seemoz ausgewählten Unternehmen, Institutionen und Soloselbstständigen, die sich von sozialen und ökologischen Grundsätzen leiten lassen, die Gelegenheit, sich, ihre aktuelle Situation und besondere Angebote darzustellen. Heute berichtet eine Theatermacherin, wie eine Kleinkunst-Bühne in Radolfzell die Krise bewältigt.
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Kultur hat es in Zeiten von Corona schwer – und in ganz besonderem Maße die freie Kultur. Auch der Radolfzeller Kulturverein Zeller Kultur bekommt das gerade zu spüren. Und doch haben die Verantwortlichen Wege gefunden, den erzwungenen Stillstand auf positive Weise zu nutzen.
„Zuerst haben wir still gehalten. Klar, es war ein Schock: Zwei Theaterproduktionen, an denen wir neun Monate gearbeitet hatten, liefen ins Leere. Die für April und Mai geplanten Aufführungen mussten abgesagt werden.“ Keine Aufführungen, das heißt: keine Einnahmen, die zur Finanzierung der Produktionen zwingend notwendig sind. Regisseurin und Vereinsvorstand Waltraud Rasch ist dennoch optimistisch. Mittlerweile nutze man zusammen mit freiwilligen Helfern die Zeit, um im Theater-Kultur-Zentrum in der Fürstenbergstraße Liegengebliebenes aufzuarbeiten. Und das ist bisher schon eine ganze Menge: „Wir konnten die Oberflächenbearbeitung der Tribüne und kleine Dachreparaturen durchführen, an den Fensterfronten Brandschutzvorhänge anbringen, mit der WC-Anlage (barrierefrei) sowie der neuen Theaterbar beginnen, und einiges mehr. Immer schön mit Abstand.“
Gerade jetzt, so Waltraud Rasch, seien die Menschen jedoch auf Nähe angewiesen. Mit ein Grund für das Projekt „Masken nähen“ in den Räumen des Kultur-Zentrums. An sechs im großen Raum locker verteilten Arbeitsplätzen kann man hier zusammenkommen, plaudern und Masken, u.a. für ein Radolfzeller Seniorenwohnheim, nähen, ohne sich dabei auf die Pelle zu rücken. Vor Ort Hände waschen geht natürlich auch. Interessierte sollten immer mal einen Blick auf die Website des Vereins werfen, die ständig aktualisiert wird (www.zellerkultur.de).
Und was ist der Plan für die nächsten Monate? „Die Kleinkunst-Kultur wird mit und nach Corona wichtiger werden denn je“, ist Waltraud Rasch überzeugt. Sobald es möglich sei, werde man nach dem Motto „Nähe mit Abstand“ den Kulturbetrieb wieder aufnehmen. Für den Juni sind erste Veranstaltungen auf der Mettnau geplant – auch hier informiert aktuell die Vereins-Website. Die beiden Theateraufführungen “Trommeln in der Nacht“ von Berthold Brecht und “Die Verspätung“ von Wolfgang Hildesheimer sollen in den Herbst verschoben werden. Waltraud Rasch rechnet hier allerdings mit nicht mehr als einem Drittel der üblichen Einnahmen, da der Zuschauerraum coronabedingt nur dünn bestuhlt werden kann.
Um die laufenden Betriebskosten einigermaßen in den Griff zu bekommen und weiterhin Theaterproduktionen anbieten zu können, ist der Verein jetzt verstärkt auf die finanzielle Unterstützung von Kulturfreunden angewiesen. Hier die Daten:
Zeller Kultur e. V.
IBAN: DE 32 6925 0035 0004 6523 43
Verwendungszweck: “Hilfe für unser kleines Theater“
Eine Spendenquittung wird auf Wunsch gerne ausgestellt.
MM/red
Bild: Theaterproberaum als Maskennähstube (Foto: Zeller Kultur)
Es war vorausbestimmt, dass das Kartell der Abkassierer sie an Schnüren tanzen lässt. PolitikerInnen, die die Coronapandemie dazu nutzen, das Land in die schärfste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg zu führen. Täglich gibt es neue Folgen des CDU/SPD Debütantentheaters. Mit einem Vortänzer Jens Spahn (CDU) als Maschinengewehr Merkels und dem hilflosen Gutwetterprediger Olaf Scholz, der mich an Peter Behrens von Trio erinnert (Da da da – Ich lieb Dich nicht, Du liebst mich nicht). Ein trauriger (Blech)Trommler – für Lobbyisten eben.
Geblieben sind uns bisher kleine Theater nach dem Abbruch der großen Lichtspielhäuser. Filmbühnen waren etwas ganz anderes, als jene Ministudios die nur bedingt geeignet sind, etwas freie Zeit im Shoppingcenter zu überbrücken.
Einen Eindruck mag das Lied von Reinhard Mey: „M. Schraders Filmpalast“ vermitteln: https://www.youtube.com/watch?v=4ZMqKSbFjYA . Oder auch der Song von der Band City: „Cinema Hall 1987“ https://www.youtube.com/watch?v=90RDw2utTxU .
„Wer als Schauspieler „auf dem Markt“ bestehen will, benötigt ein breites Portefeuille an Kenntnissen und Fähigkeiten: die ausgebildete Sprache und Stimme, körperliche Durchlässigkeit und Wandlungsfähigkeit, Präsenz auf der Bühne und vor der Kamera, Ausdauer und – Weltinteresse! Dies sind Eckpfeiler, der Schauspielausbildung an der Theaterakademie Stuttgart: Schauspieltechniken nach Stanislawski, Brecht, Straßberg, Tchechov, Meister, Grotowski. Ausbildungsziel: Staatliche Bühnenreifeprüfung und Aufnahme in die Kartei der ZAV-Künstlervermittlung Stuttgart.“ So lautet eine Mitteilung der Theater-Akademie-Stuttgart. Bildungsstätten sind auch die zahllosen „kleinen“ Bühnen, das darf man nicht vergessen.
Aus welchem Grund stehen für deren BerufsabsolventInnen, nach Berufsabschluss, keine ausreichenden finanziellen Leistungen zur Verfügung? Die auch für eine (aus Berufung) ausgeübte langfristige Bühnentätigkeit von Menschen abseits akademischer Institute, mit gleichwertigem Bildungsabschluss, aufgewendet werden könnten. Nicht zu vergessen, das Theater ist zeitgleich Wirkstätte für eine große Zahl handwerklicher Berufe, die altes handwerkliches Wissen erhalten und die auch eine gerechte Entlohnung rechtfertigen.
Was heute in größerem Umfang Spielstätten, hauptsächlich in Gaststätten erobert, das sind Laienspielformen wie Poetry Slam, die mit What´s App oder Twitter – Dialogen vergleichbar sind. Was fehlt ist, dass Wenige der heute Soloselbstständigen in Solidarkassen einzahlen oder gewerkschaftlich organisiert sind und oft, zu Lasten von LeistungsempfängerInnen, ein neoliberales Programm durchziehen, das erst nach dem Gebrauch großer Alkoholmengen annehmbar wird.
Das Fördergeld für Soloselbstständige dient dem Zweck „nach Oben buckeln, nach Unten treten“. Es ist bestimmt für betriebliche Aufwendungen und nicht zur Finanzierung privater Ausgaben. Das wird Betroffenen vermutlich erst bei der Antragstellung oder eingehenden Rückforderungsbescheiden deutlich. Letztlich müssen Staatsschulden zurück geführt werden, dafür wurde der Solidaritätsbeitrag vor Jahrzehnten überhaupt erst eingeführt und der Städtebund warnt bereits heute vor kräftigen Einnahmeverlusten in kommunalen Haushalten, von denen die Spielstätten- und Kulturförderung zuerst betroffen sein wird.
Für TouristInnen galten Theaterbesuche, Kurkonzerte oder Lesungen immer als Begleit- oder Erholungsprogramm in einer ökologisch annehmbaren Umgebung. Aus diesen touristischen Einnahmen wären vorrangig kulturelle Angebote zu finanzieren. Die Zeit für ehrenamtliches Engagement ist vorbei, seit ArbeitnehmerInnen sich in Minijobs verdingen müssen und eine talentlose touristische Verwaltungsadministration die Ausleihe von Virtual Reality Brillen zu ihren unverzichtbaren Großtaten zählt. Hoch subventionierte Tourist Informationen verstecken ihr Unvermögen hinter einem elektronischen Gerätepark der TouristInnen geradezu daran hindert Menschen, Kultur und Landschaft wahrzunehmen. Ich hoffe, der Spendenaufruf des Theatervereins ist erfolgreich, denn morgen müssen sich alle lautstark und solidarisch am Verteilungskampf beteiligen. Bevor die Lufthansa mit Ärzten, Pharmaunternehmen, Adidas und Autobossen an Bord die staatliche Förderung ins nächste Steuerparadies fliegt.