Lernen von Österreich: Reise ins Rote Wien

Hand aufs Herz: Schon mal was gehört von Zwentendorf, von den Visionen der Wiener Sozialdemokratie in der Zwischenkriegszeit, vom österreichischen Widerstand gegen den Rechtspopulismus oder dem ganz anderen Atomkraftwerk? Nein? Dann fahren Sie mit der WOZ vom 12. bis 20. August in Österreichs Hauptstadt – die Wochenzeitung aus Zürich organisiert eine Leserreise ins Rote Wien. Und Sie können mitfahren.

Lange hatte es gedauert, aber nach über 30 Jahren floss endlich Strom aus dem sichersten AKW der Welt: Kein Atomstrom freilich, sondern Solarstrom. Auf dem Dach des Kraftwerks, an den Seitenwänden und auf dem Gelände wurden vor zwei Jahren Solarmodule montiert, ein Fotovoltaik-Forschungszentrum testet Messsysteme und die Effizienz der Solaranlagen – kaum ein anderer Kraftwerksbau ist so zum Symbol einer Energiewende geworden. Und das schon vor über 32 Jahren. 1978 – knapp acht Jahre vor Tschernobyl also – erzwang eine breite Bewegung eine Volksabstimmung über das AKW Zwentendorf. Und die Bevölkerung entschied sich knapp gegen eine Inbetriebnahme des fertigen Meilers: Das muss den ÖsterreicherInnen erst mal jemand nachmachen.

Nur wenige können sich noch an die damaligen Debatten in Österreich erinnern. Man weiß überhaupt kaum etwas über das Nachbarland, schon gar nichts über seine Geschichte. Dass es dort eine beispiellos fortschrittliche Kommunalpolitik gab, ging vergessen. Dass sich in Wien 1934 bewaffnete ArbeiterInnen dem Faschismus widersetzten, dass es – wenn auch nur kurz – zu einem Bürgerkrieg zwischen dem klassenbewussten Proletariat und den reaktionären Kräften des antidemokratischen Ständestaats kam, dass viele AntifaschistInnen auch nach dem Verbot der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) 1934 im Untergrund weiter kämpften – wer ahnt das noch?

Proletarische Gegenkultur

Dabei lassen sich viele Lehren aus der Kommunalpolitik im Roten Wien (1919–1934) ziehen. Nach dem Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie am Ende des Ersten Weltkriegs hatten 1919 erstmals SozialdemokratInnen die Verwaltung einer europäischen Großstadt übernommen. Die Not war groß: Die Menschen litten Hunger, lebten in elenden Behausungen und hatten oft keine Arbeit. Die SDAP entschied sich für eine Politik, die zwar nicht die kapitalistischen Produktionsverhältnisse veränderte (die Bourgeoisie war zu stark), die aber auf umfassende Veränderungen innerhalb dieser Verhältnisse abzielte. Schon in der Gegenwart, argumentierte der SDAP-Theoretiker Otto Bauer, könne eine proletarische Gegenkultur als Vorbereitung für eine sozialistische Gesellschaft geschaffen werden.

Und so initiierte die Stadtverwaltung trotz widriger Umstände (galoppierende Inflation, horrende Reparationszahlungen, Zustrom vieler Flüchtlinge) ein umfassendes Reformprogramm. Sie baute Kinderhorte und Arbeitersportstätten, schuf Schulzahnkliniken, bekämpfte die Tuberkulose (die «Wiener Krankheit» genannt wurde), demokratisierte das Schulwesen, entwickelte ein breit gefächertes System der Erwachsenenbildung und gründete zahllose kulturelle Einrichtungen wie Stadtteilbüchereien und Arbeiterorchester.

Ein Wien jenseits der Klischees

Das kommunale Wohnungsprogramm war der wohl wichtigste Pfeiler dieses gesellschaftlichen Umbaus, der die politisch-kulturelle Hegemonie der Linken in Wien untermauerte. Bis 1934, bis zur Diktatur des reaktionären Kanzlers Engelbert Dollfuss, entstanden über 60.000 Wohnungen in gemeindeeigenen Blockrandsiedlungen mit lichten Höfen und integrierten Gesundheits- und Bildungseinrichtungen (s. Foto). Finanziert wurde dieses Unterfangen mit einem ausgeklügelten Steuer- und Abgabensystem, das vor allem die Wohlhabenden belastete.

Unterkünfte / Preise / Leistungen

Im Reisepreis inbegriffen sind Organisation, Reiseleitung, Hin- und Rückreise im Euro-Night-Zug (Vierer-Liegewagen), Übernachtungen, Ausflüge und ReferentInnen. Je nach Unterkunft ergeben sich daraus folgende Preise pro Person:

Jugendherberge Myrthengasse: Klassische Jugendherberge, einfach, zentral gelegen. Vierbettzimmer mit Dusche inklusive Frühstück; Fr. 1570.

Hotel «Stadthalle»: Nettes Dreisternehotel, verschreibt sich dem Thema Nachhaltigkeit und wird energieneutral betrieben. Alle Zimmer mit Sat-TV, Safe, Telefon, Bad oder Dusche. DZ

inklusive Frühstück Fr. 1790; EZ inklusive Frühstück Fr. 1930

www.hotelstadthalle.at/de Zweisternepension «Stadthalle» (die Pension gehört zum Hotel «Stadthalle»: Doppelzimmer ohne Frühstück Fr.1660

Gerne nehmen wir Ihre Reservation sobald wie möglich, spätestens aber bis 30. Juni 2011 entgegen. Laden Sie hier den Anmeldetalon herunter oder bestellen Sie diesen unter unterwegs@woz.ch oder Telefon 0041 (0)44 448 14 83. Bitte beachten Sie, dass die Zahl der ReiseteilnehmerInnen beschränkt ist. Für den Fall, dass die Mindestzahl Reisender unterschritten wird, behält sich die WOZ eine Verschiebung oder Stornierung der Reise vor. Bei Fragen wenden Sie sich per E-Mail an unterwegs@woz.ch oder rufen Sie uns an: 0041 (0)44 448 14 83.

Selbst heute zehrt Wien – von einer etwas anderen Sozialdemokratie geprägt – von diesem Gegenmodell zur privat kapitalistisch vorangetriebenen Stadtentwicklung. Wäre der gemeinwirtschaftliche Entwurf kollektiven Wohneigentums mit seiner dichten und menschenfreundlichen Bebauung nicht auch ein Konzept für eine nachhaltige Urbanität heute? Und was sagen die KämpferInnen, die in den 30iger Jahren den Faschisten die Stirn geboten hatten, zum grassierenden Rechtspopulismus? Wie gehen die vielen zivilgesellschaftlichen Gruppen damit um?

Man kann also was lernen von den NachbarInnen. Und deshalb führt die WOZ-Reise 2011 nach Wien. Organisiert wird sie vom Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte, einer parteipolitisch unabhängigen, ausseruniversitären Forschungseinrichtung in Wien, die auch praxisnah agiert. Auf unseren Spaziergängen erleben Sie ein Wien jenseits der gängigen Klischees. Obwohl: Kaffeehausbesuche, Heurigenausflüge, Konzerte und Theaterveranstaltungen sind, wenn’s beliebt, ebenfalls möglich.

Autor: Pit Wuhrer/WOZ