Leseleben mit Martin Walser in Konstanz
Die literarische Gesellschaft Forum Allmende lädt zum „Konstanzer Literaturgespräch“ in das Foyer der Konstanzer Spiegelhalle ein. Gast ist diesmal Jochen Hieber, Literaturkritiker und ehemaliger Redakteur der FAZ. Im Gepäck hat er sein Buch über den großen alten Mann der deutschen Literatur, Martin Walser. Der „Patron“, wie der in Überlingen lebende Schriftsteller von Hermann Kinder genannt wurde, ist mittlerweile 95 Jahre alt und immer noch öffentlich unterwegs.
Jochen Hieber nennt sein Buch „Martin Walser – der Romantiker vom Bodensee“. Und damit trifft er, folgt man den Rezensionen, den Nagel auf den Kopf. Er nimmt sich Walsers Werk und Wirken vor, ohne sich einfach an der Biografie des Schriftstellers entlangzuhangeln. Denn die liegt bereits seit 2005 in Jörg Magenaus Porträt dieses widersprüchlichen Intellektuellen vor. Hieber dagegen setzt sich nicht minder luzide mit den unterschiedlichsten Facetten der Walser’schen Romane, Novellen, Dramen, Gedichte, Reden und Essays sowie ihrer Rezeption auseinander.
Hieber nimmt Gefährten, Freunde und Konkurrenten Walsers in den Blick und setzt sich mit dessen Wirkung auf die Literatur nach 1945 auseinander. So liest und interpretiert er zum Beispiel Ruth Klügers „weiter leben“ (1992) und Walsers „Ein springender Brunnen“ (1998) parallel – die beiden waren befreundet, am Ende aber stand der Bruch. Auch die turbulenten Jahre um die Paulskirchenrede (1998) und den Roman „Tod eines Kritikers“ beleuchtet Hieber aus seiner damaligen Tätigkeit als Journalist unter Marcel Reich-Ranicki und Frank Schirrmacher. So ist ein sehr persönliches Buch entstanden.
Hieber verbirgt nicht seine Sympathien für den Schriftsteller, den er bereits als Schüler kennen- und schätzen lernte. Der Waschzettel zum Buch spricht daher zurecht von einem Leseleben mit Martin Walser. Dennoch zeigt Hieber eine notwendige und bisweilen kritische Distanz zu ihm. Es ist nicht zu viel gesagt, dass er eine völlig neue Sicht auf Walser und seine Zeit wirft. Zur Erinnerung: Walser schreibt, seitdem es die Bundesrepublik gibt. Seither kamen 14.000 Seiten an Text aller Art hinzu. Im Sommer lieferte er seinen Vorlass nach Marbach ins Deutsche Literaturarchiv. Darunter waren 75.000 handschriftliche Seiten und Manuskripte, Fotos, audiovisuelle Medien, Dateien und 75 Tagebücher. Schreiben war/ist ihm Lebensart.
Das letzte „Konstanzer Literaturgespräch“ in diesem Jahr moderiert Siegmund Kopitzki, Vorsitzender von Forum Allmende. Die in Konstanz gegründete literarische Gesellschaft feiert im nächsten Jahr ihr 25jähriges Bestehen. Dazu ist eine Ausstellung im Hesse Museum in Gaienhofen geplant, die Chris Inken Soppa kuratiert, außerdem gibt es eine Begleitpublikation. Die „Konstanzer Literaturgespräche“ sind Teil des Begleitprogramms, das im Übrigen Abstecher nach Bregenz und St. Gallen machen wird, denn Forum Allmende hat auch in Österreich und in der Schweiz Mitglieder. Weitere Informationen über den Verein unter www.forum-allmende.de
Wann? Freitag, 2. Dezember, 19.30 Uhr
Wo? Konstanzer Spiegelhalle (Hafenstr 12). Eintritt 10.- Euro, für Mitglieder von Forum Allmende: 8.-Euro
Text: Manfred Bosch
Bild: Buchtitel