Stolperstein für einen mutigen Demokraten
Mit Dr. Hermann Venedey wird am 13. Juli ein Konstanzer Demokrat geehrt, der mutig wie nur wenige den Nazis die Stirn bot. Bei der sechsten Verlegung durch die Initiative „Stolpersteine für Konstanz – Gegen Vergessen und Intoleranz“ (insgesamt werden 20 Stolpersteine verlegt) erhält Venedey einen Stolperstein, eingelassen vor seinem Arbeitsplatz, dem Suso-Gymnasium. Seemoz dokumentiert die Recherche der Stolperstein-Initiative und veröffentlicht ein Schüler-Interview mit dem jüngsten Sohn, Anselm Venedey.
Dass es noch heute, 66 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus, in Konstanz auch eigentümliche Meinungen zur Familie Venedey gibt, berichtet Petra Quintini. Als Mitglied der Stolperstein-Initiative hatte sie mit einigen SchülerInnen zum Suso-Jubiläum im Mai eine Stellwand erarbeitet, die über Hermann Venedey informierte. Sie berichtet:
Einige kritische Stimmen konnten nicht verstehen, dass Venedey einen Stein kriegt, wo er doch „eigentlich gar nichts getan hat“. Eine Frau meinte, es könnte doch nicht sein, dass „einer wie Venedey einen Stein kriegt, wo man doch weiß. wie gut es ihm in der Schweiz gegangen ist“… Dann aber ganz erfreulich eine Frau, die mir berichtet hat, ihr Vater sei 1933 Schüler von Venedey gewesen und hat seinen Kindern später immer vom Lehrer Venedey berichtet, der sich im März 1933 vor seine Klasse gestellt hat und dieser erklärte, dass er es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren könne, unter der Hakenkreuzfahne seinen Dienst zu leisten und daher leider sein Amt aufgeben müsse“.
Soweit Petra Quintinis Bericht in Auszügen. Nun die Biografie der Recherchegruppe:
Wer war Hermann Venedey?
1904 in der Schweiz geboren, zog Venedey 1914 nach Konstanz, wo er die Oberrealschule besuchte und Abitur machte. Er entstammt einem traditionell demokratischen Elternhaus – sein Großvater war Teilnehmer am Hambacher Fest, der Vater hatte als badischer Abgeordneter als einer der ersten die Mitschuld Deutschlands am 1. Weltkrieg offen ausgesprochen.
Hermann Venedey studierte Geschichte, Germanistik und Romanistik in Freiburg und Wien und legte 1927 sein Staatsexamen und seine Promotion zum Dr. phil. ab. Thema seiner Doktorarbeit: „Jakob Venedey – Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung“. Als Mitglied im Reichsbanner Schwarz Rot Gold protestierte Hermann Venedey bei zahlreichen Versammlungen von Nationalsozialisten und versuchte offen, die Grundrechte der jungen Weimarer Demokratie zu verteidigen.
Als Lehramtsassessor arbeitet er ab 1932 am Konstanzer Gymnasium (heute Suso). Als mit einem Erlass vom 12.März 1933 bestimmt wird , dass die Reichsfahne zusammen mit der Hakenkreuzfahne zu hissen sei und diese Fahnen auch am Konstanzer Gymnasium gemeinsam gehisst werden, weigert er sich, unter der Hakenkreuzfahne seinen Dienst zu tun. In einem mutigen, offenen Schreiben begründet er seine Dienstverweigerung. In Folge verliert er seinen Beamtenstatus und wird entlassen, dazu erscheint in der Zeitung ein übler Schmähruf auf ihn, der es ihm fortan unmöglich macht, eine andere Arbeit aufzunehmen. Als er im Frühsommer 1933 über die drohende Festnahme informiert wird, flieht er gemeinsam mit seinem Bruder Hans in die Schweiz. Seine Frau und sein Kind folgen wenige Tage später.
In der Schweiz darf er als Asylsuchender keiner Arbeit nachgehen, sein Status ist höchst ungewiss. Seine Frau kann durch harte Arbeit die kleine Familie einigermaßen durchbringen, erst ab 1942 darf er als anerkannter politischer Flüchtling auch offiziell kleine Arbeiten annehmen. Nach Kriegsende kehrt er mit seiner Familie nach Konstanz zurück, wo er aber keineswegs mit offenen Armen empfangen wird, sondern als „Nestbeschmutzer“ häufig Beschimpfungen und starker Ablehnung gegenüber steht.
Von der französischen Besatzungsmacht wird er als einer der wenigen unbelasteten Lehrer bald eingesetzt und nach kurzer Direktorentätigkeit in Radolfzell und am heutigen Ellenrieder-Gymnasium übernimmt er ab 1948 die Leitung des A.v. Humboldt-Gymnasiums. Er stirbt 1980 in Konstanz.
Gespräch mit Anselm Venedey: „Ich bin stolz auf meinen Vater“
Als was für eine Art von Mensch haben Sie Ihren Vater erlebt?
Er war ein ziemlich dominanter Mensch, einer, der in den Raum tritt und diesen ausfüllt. Er war sich dessen auch bewusst und hat selber gesagt: „Mit der Geschichte, die ich gehabt habe, gehe ich entweder unter oder stehe selber da, wie ein Mahnmal.“ Letzteres war der Fall, er war von seiner ganzen Persönlichkeit und Ausstrahlung ein Punkt, wo man hin geguckt hat. Er war nie der liebevolle Vater, eher geprägt durch sein Wirken. Alle seine Kinder haben dies aber auch durchaus als angenehm empfunden.
Erinnern Sie sich an politische Gespräche zu Hause?
Alle fünf Brüder [Hans, Hermann, Jakob, Gustav und Michael] haben mehr oder weniger ausschließlich über Politik gesprochen. Ich habe in Berlin studiert, zu der Zeit lebten dort auch Jakob und Michael. Zwei Mittage in der Woche haben wir uns getroffen und über Politik diskutiert. Wir gingen Stunden im Grunewald spazieren und diskutierten dabei tagespolitisches Geschehen.
Nur die Brüder Hans und Hermann flohen 1933 in die Schweiz, was war mit den anderen Brüdern?
Nach der Flucht der beiden Brüder, musste man sich für die jüngeren Kinder eine Strategie überlegen. Alle drei Brüder, Jakob[*1915], Gustav [*1917] und Michael [*1920] wurden eingezogen, Jakob war nach dem Krieg als Kriegsgefangener in den USA.
War der Bruder Jakob ein Nazi, war er deshalb als Gefangener in den USA?
Nein, dass hatte damit gar nichts zu tun. Er war ganz bestimmt kein Nazi. Im Gegenteil, noch während der Kriegsgefangenschaft hat ihn ein Femegericht seiner deutschen „Kameraden“ zum Tode verurteilt. Kurz vor Ende der Gefangenschaft wollten sie mit ihm abrechnen, da er kein Nazi gewesen ist. US-Soldaten retteten ihn.
Hat Politik bei den Venedeys Familientradition? Fühlen auch Sie sich dieser Tradition verpflichtet?
Damit hat es nicht direkt zu tun. Ich meine, ich war 15, als mein Vater starb, da hatte Politik für mich noch keine Bedeutung. In unserer Familie gehen die Generationen extrem weit auseinander.
Mein Vater war Jahrgang 1904, mein Großvater [Martin] Jahrgang 1860. Er war Abgeordneter des badischen Landtages, und er war der erste deutsche Abgeordnete, der die deutsche Schuld am I. Weltkrieg offen aussprach. Er war auch organisiert im Reichsbanner „Schwarz, Rot, Gold“ . Mein Urgroßvater Jacob Venedey war Jahrgang 1805, er nahm 1832 am Hambacher Fest teil und versuchte, die Hambacher Ideen im Rheinland zu verbreiten. Jedoch wurde er wegen „revolutionärer Umtriebe“ verhaftet. Ihm gelang die Flucht und er lebte viel Jahre im Exil in Frankreich und England. 1848 wurde er in der Frankfurter Paulskirche ins Parlament gewählt. Bereits sein Vater, mein Ur-Urgroßvater Michael Venedey [*1770], hatte sich den Jacobinern angeschlossen und versuchte, die Ideen der französischen Revolution ins Rheinland zu bringen. So waren alle in entscheidenden Zeiten politisch aktiv.
Auch Ihr Großvater gehörte zu den bekennenden Gegnern der Nationalsozialisten. Er starb bereits 1934, wie erging es ihm nach der Flucht der beiden ältesten Söhne?
Meine Großeltern waren bedroht. Bereits im März 1933 wurde ihre Bibliothek „gesäubert“, mein Großvater hatte auch Berufsverbot. Mein Vater und sein Bruder Hans waren wie auch der Großvater Mitglieder des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, dies war eine paramilitärische Organisation, die sich den Schutz der Demokratie der Weimarer Republik zur Aufgabe gemacht hatte. Mein Onkel Hans und mein Vater gingen bereits in den 20er Jahren auf Versammlungen der Nazis, um dann in entscheidenden Momenten mit weiteren Mitgliedern des Reichsbanners auf das Podium zu stürmen und die Versammlung zu stören.
Welche Rolle spielte für Ihren Vater der Vorfall am heutigen Suso-Gymnasium?
Eine wichtige Rolle, er hat ihn auch in seiner Biographie genau beschrieben. (Er hat seine Biographie bis Ende der 40er Jahre aufgeschrieben, sie liegt mir vor, aber er hat verfügt, dass wir sie nicht veröffentlichen dürfen). Der 13.März 1933 war der Volkstrauertag und es gab den neuen Erlass , dass die Hakenkreuzfahne an allen öffentlichen Gebäuden an diesem Tag zu hissen sei, gemeinsam mit der schwarz-weißroten Fahne. Mein Vater hat sich geweigert, unter der Hakenkreuzfahne seinen Dienst zu tun, dies sei ein Bruch mit der Verfassung aus der Weimarer Republik. Mein Vater schreibt, dass am heutigen Suso sogar nur die Hakenkreuzfahne gehisst werden sollte. Daraufhin hat mein Vater erst seine Schüler informiert, dass er an keinem Tag, an dem die Hakenkreuzfahne gehisst werde, seinen Dienst antreten würde. Danach informierte er die Schulleitung mit dem Schreiben, in dem er sein Amt niederlegt.
Wie haben seine Kollegen darauf reagiert?
Er hat von seinen Kollegen für diese Entscheidung viel Respekt erfahren. Mein Vater hat dies immer wieder erzählt, ich zitiere: „Wer rechts stand, verabschiedete sich mit einem gewissen Respekt vor mir, wer links stand, wandte sich linkisch ab“. Mit der Verweigerung hatte er als 29jähriger Familienvater seine Karriere beendet. Es ist bezeichnet, in welchem Ton sich – nur sechs Wochen nach der Machtübernahme – die Presse [Bodensee-Rundschau] in einem hämischen, vernichtenden Nachwort über ihn äußert. Nach diesem Beitrag des Autors Neuscheler war mein Vater auch beruflich völlig am Ende. Nicht nur hatte er eine sichere Stelle aufgegeben, auch wagte niemand nach diesem Artikel, meinen Vater und sei es nur für eine Hilfsarbeit einzustellen.
Häufig erhielt er nach dem Krieg die vorwurfsvolle Frage, warum er so früh aus Deutschland weggegangen sei. Nach diesem Artikel war dies klar, seine Existenzgrundlage war ihm völlig entzogen worden.
Wissen Sie, warum Ihr Vater nach dem Krieg nicht wieder an das Suso-Gymnasium zurückkehrte?
Er hatte dieses Angebot einer Schulleiterstelle in Radolfzell, dort ist er hingegangen. Mein Vater war aufgrund seiner Flucht 12 Jahre nicht mehr im Schuldienst tätig, aber dies war, wie er immer betonte, nicht sein Verschulden. Er bestand darauf, dass er nach diesen 12 Jahren gleich bleibend einem Lehrer, der nie weg war, behandelt werden solle. Er wollte eine höhere Einstufung und nicht wieder als Assessor arbeiten. Später erhielt er ein Angebot des Ellenriedergymnasiums, dass er auch annahm, und 1947 wurde ihm dann auch die Stelle am heutigen Humboldtgymnasium angeboten, die er dann bis zu seiner Pensionierung 1969 inne hatte. Am Humboldt wurde er dann auch Oberstufendirektor, aber er musste erst eine Klage anstrengen, ehe er sein Gehalt entsprechend ausgezahlt bekam. Er wäre, hätte sich ihm die Gelegenheit geboten, bestimmt auch wieder ans Suso gegangen. Er hat sich übrigens auch geweigert, nach dem Krieg einen neuen Eid auf die Bundesrepublik zu leisten. Er sagte : „Eide kann man nicht wechseln wie Anzüge!“
Mein Vater war immer sehr engagiert, nach dem Krieg dann Mitglied im Weltfriedensrat und in der deutschen Friedensgesellschaft. Nach seiner Pensionierung zeigte er großes Engagement als Berater in der damaligen Berufsverbotszene.
Ihr Vater war auch nach dem Krieg immer sehr umstritten…
Ja, bis in die 60er Jahre erhielt er ständig Morddrohungen und er hatte auch wirklich Angst. Ein guter Freund wusste von konkreten Plänen und warnte meinen Vater, dass er sehr gefährdet sei. Mein Vater dachte ernsthaft daran, Deutschland zu verlassen. Der frühe und plötzliche Tod seiner zweiten Frau hat diesen Plan allerdings vereitelt.1948 hat mein Vater für den neuen Bundestag kandidiert, für die FDP, die damals ganz andere Inhalte hatte als heute, danach aber nie wieder. Er hatte später ein ganz tiefes Misstrauen gegenüber Politikern.
War es für Sie eine Art Vermächtnis des Vaters, die politische Rolle weiterzutragen?
Ich habe mich nicht verpflichtet gefühlt. Ganz banal hat mich jemand gefragt, ob ich bereit wäre, für den Gemeindrat zu kandidieren. Ich habe mich geweigert, einer Partei beizutreten, aber ansonsten hat mich das Angebot sehr gereizt. Ich bin nachgerückt in der freien Liste für Herrn Brunner. In Konstanz gibt es manchmal ganz seltsame Allianzen. Diese Erfahrung hat auch mein Onkel Michael gemacht, der ja bis vor einigen Jahren noch für die Linken im Parlament saß. Er wunderte sich immer, wie leicht es in Konstanz möglich ist, dass man sich quer über die Lager so gut verstehen und man nach der Sitzung gemeinsam auch ein Bier trinken kann.
Wie viel und was hat Ihnen der Vater über das Exil erzählt?
Mein Vater hat gar nicht über seine Zeit im Exil gesprochen, zumindest nicht in der Familie. In der Familie hat er immer wenig erzählt. Er hat uns Kindern auch verboten, die mehrteilige Sendung „Holocaust“ zu schauen.
Sind Sie stolz auf Ihren Vater?
JA! Die Haltung finde ich bemerkenswert. Man muss bedenken, er war 29 Jahre alt, als er sein Amt als Lehramtsassessor aus Protest niederlegte. Und er hatte eine Familie, Frau und kleinen Sohn. Er musste auch lange kämpfen, in der Schweiz bleiben zu dürfen. Vierteljährlich musste er seine Genehmigung verlängern. Er musste, um bleiben zu dürfen, regelmäßig Einreisegesuche für Drittländer stellen. Diese scheiterten aber immer wieder: USA daran, dass sich kein Bürge fand, Australien daran, dass er die Schiffskosten nicht aufbringen konnte. Er schrieb aber auch Anträge nach China oder Australien. Erst 1942 – nach neun Jahren im Exil – war er in der Schweiz als Flüchtling anerkannt. Das heißt, das er vorher auch offiziell nicht arbeiten durfte. Aus seiner Biographie und aus den Erzählungen weiß ich, dass dies für Ihn eine sehr schwere Zeit gewesen ist.
In der Schweiz gab es Organisationen, die speziell Flüchtlingen geholfen haben, so hat er in den frühen Jahren beispielsweise bei der Musikerfamilie Busch die Bibliothek betreut und damit etwas Geld verdienen können. Hauptsächlich hat seine Frau aber durch ihre Arbeit die Familie unterhalten, sie arbeitete als Kellnerin.
Wann genau flohen die Brüder in die Schweiz?
Dies war am 13. oder 14. Juni 1933. Hans war bereits im März verhaftet worden und wusste über einen befreundeten Polizisten, dass ihm wieder „Schutzhaft“ drohte, es gab anscheinend schon einen konkreten Termin. Auch von Hermann wusste man, dass er verhaftet werden sollte, wenn auch etwas später. So beschlossen die Brüder, beide schnellstmöglich zu fliehen; sie überquerten die grüne Grenze an unterschiedlichen Stellen.
Autoren: PM/pq/hpk
Ein interessanter Bericht und ein erhellendes Interview. Ich bin sehr dafür, dass Venedey einen Stolperstein bekommt. Und wenn man diese Bautätigkeit in der Horizontalen dann fortsetzen will, wie einst für die Kathedralen über Generationen in die Vertikale weitergebaut wurde, dann wäre in den Zeiten nach 45 noch mancher erinnernswert. Jede Epoche stellt ihren Widerständigen andere Aufgaben.
Ich wäre auch sehr dafür, wenn die Familie Venedey – wie ein Max Brod gegenüber Kafkas Anordnungen – die Courage entwickeln würde, sich über Anordnungen des großen Ahnen hinwegzusetzen und seine Erinnerungen zu veröffentlichen.
Ich bleibe diesem Direx dankbar, und verbinde – jenseits seines großformatigen Konterfei auf DFU-Wahlplakaten der Renate Riemeck und jenseits der Respektsperson, die unbeweglich am Schultor stehend durch ihre bloße körperliche Präsenz einen Pausenhof mit hunderten von Schülern bei Schneeballzeit unter Kontrolle hielt – zwei prägende Szenen:
Die zweite war eine der seltenen Deutschstunden, die er wohl unangemeldet übernahm (der jeweilige Lehrer in bebender Dienstfertigkeit) – er rief uns Sextanern in eienr längeren freien Erzählung das Bild einer Löwenzahnpflanze auf, die sich am Straßenrand durch den Asphalt den Weg ins Licht bahnt. Eine Botschaft von Brechtschem Format: das Harte unterliegt.
Die erste Szene aber hat mir als Zehnjährigem, ohne dass er das beabsichtigen konnte, die Autoritäten der Gesellschaft in ihrer Anmaßung und Doppelmoral vorgesetzt. Ich musste, weil mir als Kind eines Gewerkschaftlers eine Kinderheim-Verschickung angeboten war, ein paar Schultage freifragen, es war während der Osterferien. Wurde von der (unvergesslichen) Sekretärin „Fräulein Weigerle“ nach Klopfen und Ankündigung ins Dienstzimmer des Direx eingelassen. Und da saß dieser zuvor nie gesehene, vage gefürchtete Mann in seinem Lehnstuhl, die Füße auf dem Schreibtisch. Und sein erster Satz in relativer Schärfe war: „Büble, nimm die Mütze ab!“ Das hatte mir noch niemand gesagt. Ich nahm die Mütze ab. Er behielt seine Schuhe auf dem Schreibtisch. Seine Stimme war sonor und mild, er genehmigte die paar Tage und ich durfte nach Langeoog. Die Respektspersonen aber blieben danach mit ihren Schuhen auf einem Sockel, an den wir Achtundsechziger 10 Jahre später die Lunte legten.
Stolpersteine sollten ja auch nicht für eine neue Sorte mit Photoshop bearbeiteter, säkularer Heiliger vergeben werden; sondern für mutige Menschen, die in anderen Zeiten ihres Lebens mit ihren Widersprüchen lebten.