Münsterplatz-Theater: Premiere im Wechselbad

seemoz-Name der RoseDie große Furcht aller Freilicht-Aufführer: Nach der Pause kommt der große Regen. Genau das passierte Laura Ellersdorfer, die vom Konstanzer Stadttheater für die Premiere von „Der Name der Rose“ auf dem Münsterplatz verantwortlich war. Gleich nach der Pause, nach gut 60 Minuten Spielzeit am letzten Freitag Abend, kam der Gewitter-Donner: Die zweite Hälfte des Theaterstücks fand dann in der Kirche statt.

Und was niemand für möglich gehalten hatte: Das Münster füllte sich bis auf den letzten Platz (so voll ist die Kirche selten), das Theaterstück, das vor der Pause arg langatmig daher kam, gewann jetzt, so ganz ohne Kulissen, Requisiten und Komparsen, plötzlich an Fahrt, das Ensemble wuchs über sich hinaus, atemlos verfolgte das in die Sitzbänke gezwängte Publikum die Aufführung, um am Ende mit standing ovations und Bravo-Rufen die SchauspielerInnen zu feiern. Und passend donnerte vor dem Portal das Gewitter. Ein unvergesslicher Theaterabend.

Zunächst spielte das Münster nur eine Nebenrolle

Dabei begann das Stück am bislang heißesten Tag des Jahres recht verhalten. Zuerst staunten die schwitzenden ZuschauerInnen über das Bühnenbild von Alexander Martynow, denn vor dem Münsterbau drängten sich die hölzernen Kulissen, versperrten den Blick auf die Kirchenfassade und vermieden so den majestätischen Eindruck vergangener Aufführungen, als die Erker und Türen des Mittelalterbaus noch zum Teil der Ausstattung gemacht worden waren. Und auch das Spiel kam nur langsam auf Touren – Regisseur Herbert Olschok konnte manche Längen im Szenenaufbau kaum überspielen.

Am Buch lag es nicht. Claus Frankl, der die Bühnenbearbeitung besorgte, und später die Dramaturgin Laura Ellersdorfer hatten es geschickt verstanden, die raffinierte Melange des Ursprungstextes aus Kriminalroman, Historienschinken, Schauerroman und ideologischem Schlüsselroman über die Kurie und ihre Gemeinheiten gekonnt zu verweben. Und anders als in der ansonsten gelungenen Filmvorlage von Jean-Jacques Annaud mit dem famosen Sean Connery kommt die Auseinandersetzung mit Papstkult und Inquisitions-Terror hier nicht zu kurz. Doch die verschiedenen Argumentationsstränge auch gleichberechtigt auf die Bühne zu bringen, gelang der Inszenierung lange Zeit nicht.

Szenenwechsel – Rollenwechsel

Erst nach dem Umzug ins Kirchenschiff, wo man auf die theatralische Ausstattung verzichten musste und selbst der Kostümwechsel ausfiel, wo der Fokus schonungslos auf die Leistung der Schauspieler gerichtet war, die häufig genug auch improvisieren mussten, kam Schwung auf die Bühne, die jetzt nur aus einer Stuhlreihe vor dem Altar und dem schmalen Freiraum vor dem Kirchengestühl bestand. Da wurden unversehens die Dialoge treffender, die Bewegungen natürlicher, die Handlung verständlicher – mit dem Szenenwechsel kam ein Rollenwechsel.

Aber vielleicht tut man der Aufführung damit unrecht, vielleicht wäre alles das auch in den Münsterplatz-Kulissen passiert – wahrscheinlich würde auch der Kritiker diesem Stück erst gerecht, wenn er auch den zweiten Teil in gewohnter Umgebung erlebte.

So oder so: Das Wechselbad tat dem Stück gut, vor allem aber den SchauspielerInnen, die sich den stürmischen Applaus wahrlich verdient hatten. Doch auch beim Schlussapplaus lief nichts ohne Improvisation – die Enge des Raums verbot eine Einzelpräsentation der Schauspieler. Obwohl doch einzelne aus dem tollen Ensemble herausragten: Odo Jergitsch als William von Baskerville (welch pfiffige Namensidee des genialen Umberto Eco) natürlich, aber auch Julian Härtner als verblödetes Folteropfer Salvatore und Arlen Konietz mit dem charmanten schwedischen Zungenschlag des Benno von Uppsala oder, wie fast immer, Frank Lettenewitsch in der Rolle des gepeinigten Angeklagten Remigius von Varagine. Da konnte das Konstanzer Stadttheater einmal mehr mit seinem engagierten, ungemein spielfreudigen Schauspieler-Aufgebot strunzen.

Nein, trotz Wetterpechs, trotz Standortwechsels, trotz Platzenge und Improvisationsnot – oder womöglich gerade deshalb – wurde diese Premiere zu einem unvergleichlichen Theater-Erlebnis. Die Diskussion – Freilichtaufführungen ja oder nein – sollte damit endgültig beendet sein.

hpk

Kommende Vorstellungen: Bis zum 24. Juli täglich um 19 Uhr außer am 1., 11., 16. und 18. Juli.