„Muzungu“ und der neue Kolonialismus

Und schreiben kann er auch – nicht nur Rechtsgutachten, Doktorarbeiten und Zeitungsartikel, sondern neuerdings auch Kriminalromane. Mit „Muzungu“ legt Christoph Nix, Rechtsprofessor, Rechtsanwalt und Theaterintendant aus Konstanz, seinen dritten Roman und einen politischen Krimi vor, der so gar nichts von einer Räuberpistole hat.

Vielmehr geht es recht ernsthaft um Waffenhandel und Aids, um Kindersoldaten und Korruption. Und fast beiläufig natürlich auch um Mord: Liv Utstedt, für „Ärzte ohne Grenzen“ in Uganda aktiv, wird im Haus des schwedischen Kulturattachés in Kampala tot aufgefunden. Ein Opfer des Machtkampfes in Ugandas Führungsclique oder doch Zielscheibe des alltäglichen Rassismus‘ oder sogar Racheakt des einstigen Liebhabers, der es jetzt bis zum Präsidenten gebracht hat?

Nix führt seine Leser mehr als einmal an der Nase herum, erzählt dabei aber viel Wissenswertes über afrikanische Mentalitäten und europäische Machenschaften. Man merkt dem Autoren seine Affinität zu Afrika an und seinen Argwohn gegenüber Autoritäten – schließlich legt er sich auch hierzulande gerne mit Oberen an, schließlich hat er zahlreiche Theaterprojekte in Afrika angeschoben und verfolgt noch immer das Ziel, in Togo ein eigenständiges afrikanisches Theater aufzubauen. Da brauchte man sich nicht zu wundern, wenn dann ein moralisierender Zeigefinger über den Zeilen schwebte.

Doch nix da: Nix schreibt kurze Sätze fast wie Hemingway, überrascht immer wieder mit fast verwirrenden Zeitsprüngen und findet doch – meist – eine versöhnliche Auflösung. Bloß gegen Ende scheint der Plot etwas aus dem Ruder zu laufen, wenn unversehens der nie aufgeklärte Mord an Olof Palme ins Spiel kommt und Afrikas Welten ins Hintertreffen geraten.

Denn das ist die Stärke dieses 200-Seiten-Buches: Einblicke zu liefern in die aktuelle afrikanische Wirklichkeit und den europäischen Dünkel. An der Figur des einheimischen Ermittlers machen sich die Ängste Afrikas fest vor dem weißen Mann, vor „Muzungu“, der wieder einmal alles besser weiß, alles besser kann, alle Macht hat, um seine Gesetze und seine Geschäfte, sei es nun mit Gold, Rosen oder Gewehren, durchzusetzen. Ein neuer Kolonialismus macht sich da schon seit Jahrzehnten breit – nicht mit Kanonenbooten und Kolonialkorps wie vor 150 Jahren, sondern mit „Entwicklungshilfe“ und Computertechnik. Aber mit immer noch demselben Ziel der Ausbeutung.

Und dennoch wird an der Figur des Ermittlers Oanda demonstriert, wie sich neues Selbstbewusstsein bei Afrikanern aufbauen kann, wie die Vorherrschaft des Muzungus ins Wanken geraten könnte. Ja, dieses Buch liest sich wie eine Liebeserklärung an Afrika und die Afrikaner. Und ist nicht nur deshalb lesens- und empfehlenswert.

hpk

Christoph Nix: „Muzungu“, Transit-Verlag, Berlin 2018, 208 Seiten, 20 Euro.