Raum für queere Lebens- und Liebeswelten

Vom 24.3. bis 5.4. gibt es das 30. Queergestreift-Festival im Konstanzer Zebra-Kino. Seit 1988 veranstaltet das Zebra in langjähriger Kooperationen mit lokalen Initiativen ein Programm mit Diskussionen und Filmgesprächen durch nationale wie internationale ExpertInnen aus dem Filmbusiness oder dem Bereich des schwulen Aktivismus. Und die fulminante Eröffnungsparty darf auch dieses Jahr nicht fehlen – im Kula wird glamourös gefeiert.


Moonlight

USA 2016, 111 min, Regie: Barry Jenkins, FSK 12, Original mit deutschen Untertiteln
„In Moonlight Black Boys Look Blue“ ist der Titel des Theaterstücks, auf dem der Film basiert und dessen Farbspiel er mit sinnlich poetischen und kunstvoll arrangierten Bildern wiedergibt. Das Coming-of-Age-Drama um einen afroamerikanischen Jungen, der seine homoerotischen Gefühle in einem von Ausgrenzung, Drogensucht, Armut und Kriminalität geprägten Umfeld nicht leben darf, trotzt den konventionellen Filmerwartungen auf erzählerischer und visueller Ebene. Die in drei Lebensabschnitte unterteilte Charakterstudie über den heranwachsenden Außenseiter Chiron suggeriert feinfühlig und eindringlich eine unmittelbare Erfahrbarkeit. Vielmehr als ein falscher Briefumschlag wird die außergewöhnlich brillante Inszenierung des Oscar-prämierten Films die Erinnerungen prägen.

Spieltermine: Fr., 24.3.,19:00 I So., 26.3.17, 18:45 I Fr., 31.3., 20:30 Uhr.


The Adventures of Priscilla, Queen of the Desert

AUS 1994, 104 min, Regie: Stephan Elliot, FSK 16, Original mit deutschen Untertiteln
Priscilla ist wohl der farbenfrohste Queerfilm aller Zeiten. Drei Drag-KünstlerInnen fahren aus ihrer heimischen Schwulenszene Sydneys für einen Auftritt quer durch Australien. Mit ihrem sektgetauften Bus „Priscilla“ fahren sie durch das australische Hinterland, schneidern mit Tüll umhüllte Kostüme, die sicher nicht unabsichtlich häufig den Tieren und Blumen im Outback ähneln. Um den Roadtrip zu versüßen, herrscht harscher Tuntenhumor, aber auch einfühlsame Szenen, in denen die Drei mal auf ein feindseliges, mal ein überraschend aufgeschlossenes Umfeld treffen. Die drei in ihren Kostümen begegnen derben Hinterwäldlern, begeisterten Aborigines und dem Mann für vielleicht ein Leben. Die transsexuelle Bernadette, der früher mal heterosexuell verheiratete Tick/Mitzi und die Jungsschwuppe Adam/Felicia präsentieren drei Formen schwuler Männlichkeit und transsexueller Weiblichkeit, ohne sich in eine offensichtliche Generationenreihenfolge der immer weiteren Emanzipation aufzulösen.

Spieltermin: Fr., 24.3., 21:45 Uhr.


Transit Havanna

CUB/DEU/NDL 2016, 86 min, Regie: Daniel Abma, Original mit deutschen Untertiteln
Der Dokumentarfilm Transit Havanna von Daniel Abma zeigt einen bisher wenig beleuchteten Aspekt Kubas. Zuletzt oftmals in den Medien wegen des Todes Fidel Castros und der langsamen Öffnung des Landes, fürchten viele nun einen schnellen und drastischen Wandel der sozialistisch geführten Karibikinsel und bemühen sich – bevor es zu spät ist – noch einmal alles im ‚Originalzustand‘ sehen zu können.

Wandel, besser ausgedrückt Transition, ist jedoch genau das, was sich viele Menschen in Kuba erträumen. Einige davon porträtiert der preisgekrönte (z.B. als bester Dokumentarfilm auf den queeren Filmfestivals in Kopenhagen und Amsterdam 2016) Film über Transsexualität auf eindrückliche Art und Weise (Foto). Juani hat schon seit langer Zeit die Transition hinter sich und bezeichnet sich selbst als ältesten Transmann Kubas. Malú und Odette warten sehnsüchtig auf ihre OP. Nur wenige werden jedes Jahr im Rahmen eines staatlich geförderten Programms ausgewählt, in dessen Mittelpunkt eine chirurgische Geschlechtsangleichung steht, die von Ärzten aus dem kapitalistischen ‚Westen‘ durchgeführt wird. Organisiert wird das Programm vom Institut CENESEX (dt.: Nationales Zentrum für Sexualaufklärung) unter der Leitung von Präsidententochter Mariela Castro („Nein zur Homophobie, ja zum Sozialismus!”).

Spieltermin: Sa., 25.3.17, 17:15 Uhr


Coming Out

DDR 1989, 113 min, Regie: Heiner Carow,  FSK 12, Deutsche Originalversion
Coming Out ist unser Film der 80er Jahre. Er entpuppt sich – betrachtet man seinen Produktions- und Aufführungskontext – als Zeitzeugen-Dokument schlechthin. So ist Coming Out nicht nur der erste und einzige Schwulenfilm der DDR. Er ist auch der Letzte. Denn der Film wurde am 9. November 1989 im Ostberliner Kino International uraufgeführt und ist somit Zeitzeuge des Falls der Berliner Mauer.

Ost-Berlin, 1989: Der Lehrer Philipp Klarmann (Matthias Freihof) trifft durch seine Kollegin und Partnerin Tanja (Dagmar Manzel) seine Jugendliebe Redford (Axel Wandtke) wieder. Die Begegnung mit Redford ruft verdrängte Sehnsüchte hervor. Er flüchtet ‚in eine Kneipe und trinkt, um alles runter zu schlucken, weil er merkt, was mit ihm los ist‘ – so das wohl bekannteste Filmzitat. An diesem Abend begegnet er Matthias (Dirk Kummer) und, wie es der Zufall oder der Film eben so will, sehen sich die beiden wieder und kommen sich näher. Doch Philipp fällt es nicht einfach, seine Wünsche zuzulassen …

Spieltermin: So., 26.3.17, 16:00 Uhr.


I am not your Negro

UK/FRA/BEL/ CHE 2017, 95 min, Regie: Raoul Peck,  FSK ab 18, Original mit Untertiteln
1979: James Baldwin, einer der bedeutendsten afroamerikanischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, beginnt seinen letzten, schließlich unvollendet bleibenden Text „Remember the House“, der insbesondere persönliche Erinnerungen an seine drei ermordeten Bürgerrechtler-Freunde Malcolm X, Medgar Evers und Martin Luther King sowie Reflexionen der eigenen, schmerzhaften Lebenserfahrung als offen schwul lebender Schwarzer in den USA beinhaltet, wie z.B. sein persönlich kompliziertes Verhältnis zur Black Power Bewegung oder einer FBI-Untersuchung zu seiner Homosexualität.

2016: Bald 40 Jahre später inszeniert Raoul Peck die 30 bislang unveröffentlichten Seiten von Baldwins Manuskript, die nicht nur einen Rückblick auf die amerikanische Bürgerrechtsbewegung darstellt, sondern auch eine in Bild und Ton herausragend komponierte wie auch verstörende Doku über die immer noch praktizierte Unterdrückung der Schwarzen in den USA. Dazu benutzt und vermischt Peck geschickt Fotos, Film- und Nachrichtenausschnitte von Archivaufnahmen der Rassentrennung in den 1950er und 1960ern Jahren, aber auch aktueller Geschehnisse wie den Todesfall von Michael Brown und die anschließenden afroamerikanischen Proteste gegen weiße Polizeigewalt in Ferguson 2014. Peck lässt dabei hauptsächlich Baldwin mit seinen eigenen immer noch aktuellen Worten sprechen; in der Oscar-nominierten Doku I am not your Negro vertont von Samuel L. Jackson.

Spieltermin: Mo., 27.3., 19 Uhr I So., 2.4.17, 16:30 Uhr.


The Fits

USA 2015, 72 min, Regie: Anna Rose Holmer, FSK ab 18, Original mit deutschen Untertiteln
Im Zentrum des Dramas The Fits stehen die Irritationen und Herausforderungen der Identitätssuche der 11-jährigen Toni (Royalty Hightower). Als einziges Mädchen trainiert Toni in einer Turnhalle mit einer Gruppe von Jungen beim Boxen, während nebenan eine Gruppe von Tänzerinnen ihre Choreografien einstudiert. Toni, die die Tänzerinnen beobachtet und fasziniert ist von deren selbstbewusstem Auftreten und körperlichen Darbietungen, beginnt mit der Gruppe zu üben. Die Tanzgruppe wird alsbald von mysteriösen Anfällen heimgesucht. Nur Toni bleibt von der unerklärlichen Erfahrung gefeit und fürchtet um ihre Akzeptanz.

Titelgebend für den Film ist das Nomen ‚fits‘ aus dem Englischen, das im Deutschen ‚Anfall‘ bedeutet. Die schauerartigen Anfälle überkommen in The Fits ausschließlich weibliche Figuren. Die Ursache für dieses Erlebnis bleibt unklar. Spannend ist jedoch, wie die Mädchen die Anfälle – ähnlich ihrer ersten Periode oder ihres Ersten Mals – beschreiben. Die besonders im Jugendalter sich verfestigende Unterscheidung von Jungen und Mädchen wird in The Fits u.a. über die Trennung von Räumen verhandelt. Diese sind entweder männlich oder weiblich codiert wie etwa der Box- oder Tanzraum oder die Männer- und Frauenumkleide. Dadurch konfrontiert uns Anna Rose Holmers Regiedebut The Fits mit Körper(kult)vorstellungen und der Performance von Gender im Bereich des Sports.

Prof. Dr. Beate Ochsner, Professorin für Medienwissenschaft an der Universität Konstanz, wird am 28. März eine Einführung in den Film geben.

Spieltermin: Di., 28.3., 19:00 Uhr


MM/hpk