Schrumpfköpfe sorgen für Aufsehen

Darf man heute noch Schrumpfköpfe zur Schau stellen? Wie lässt sich das mit der Menschenwürde vereinbaren? Darüber wird zur Zeit in St.Gallen diskutiert, denn ein Museum hat sechs neue Exponate gekauft und zeigt sie in einer Ausstellung.Sie sind kaum grösser als eine Faust. Schrumpfköpfe hatten bei einigen indigenen Völkern Südamerikas Tradition. Getöteten Feinden wurde der Kopf abgetrennt, die Schädelknochen wurden herausgelöst und die Hauthülle samt dem Skalp gekocht. Das Einfüllen von heissen Steinen vollendete den Schrumpfungsprozess. Um zu verhindern, dass Rachegeister aus der so entstandenen Kopfmumie austreten konnten, wurde der Mund vernäht oder mit kleinen Holzpflöcken verschlossen.

Das Historische und Völkerkundemuseum St. Gallen hat nun sechs solcher Schrumpfköpfe für seine Amazonassammlung gekauft. Für Daniel Studer, Direktor des Museums, war die Kopfjägerei ein Teil der Kultur Amazoniens, der zum Leben der Völker in dieser Region gehörte und heute auch in diesem Kontext betrachtet werden müsse.

«In unserer Amazonassammlung – übrigens eine der wenigen in Europa – gab es schon immer Schrumpfköpfe. Die sechs, die wir jetzt dazugekauft haben, sind sehr alt und deshalb auch für das Museumspublikum interessant.» Studer will damit keinen Schaubudenzauber veranstalten und die menschlichen Überreste respektvoll in die Ausstellung integrieren.

Museumsrat verlangt Taktgefühl

Das Pitt-Rivers-Museum im britischen Oxford denkt derzeit darüber nach, ob es seine Schrumpfkopfsammlung ins Amazonasgebiet zur Bestattung zurückschicken soll – aus Achtung der Menschenwürde. Auch das Völkerkundemuseum Burgdorf bei Bern erklärte im Herbst 2009, dass es die Schrumpfköpfe aus der Ausstellung entfernt habe. Beim Museumspublikum soll laut der Ko-Leiterin Erika Bürki nämlich nicht Empörung gegen die Menschen erzeugt werden, die die Trophäen angefertigt haben.

Das Ausstellen menschlicher Überreste in Museen – Schrumpfköpfe eingeschlossen – sei nicht verboten, sagt David Vuillaume, der Generalsekretär des Verbandes der Museen der Schweiz. Dabei gelte es aber die ethischen Richtlinien des Internationalen Museumsrates zu beachten. Diese verlangten bei der Präsentation «Taktgefühl und Achtung vor den Gefühlen der Menschenwürde», die allen Völkern gemeinsam seien.

Kopfmumien für 50 000 Franken

Das Historische und Völkerkundemuseum St. Gallen ist Gratwanderungen gewohnt. Mit der Ausstellung «Kälte, Hunger, Heimweh» über Wehrmachtsoldaten und SS-Angehörige in russischer Kriegsgefangenschaft hat es vor eineinhalb Jahren für Aufsehen gesorgt. KritikerInnen meinten, dass in der Ausstellung die Einzelschicksale der Nazisoldaten stärker als ihre Verbrechen gewichtet worden seien.

Die sechs neuen Kopfmumien des St. Galler Museums (fünf männliche und eine weibliche) kosten 50 000 Franken. Angeboten wurden sie von einem Tierpräparator aus dem Thurgau. Der Mann hatte einige Jahre in Amazonien gelebt. Museumsdirektor Daniel Studer ist von der Echtheit der 200 bis 250 Jahre alten Exponate überzeugt und hat diese auch überprüfen lassen. Vermutlich, so der Museumsdirektor, sei einer der Köpfe sogar einem Europäer abgeschlagen worden. Die Gesichtszüge würden jedenfalls darauf hindeuten.

Foto: Narayan k28
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Autor: Harry Rosenbaum/WOZ