Schwungvolle Ausstellung im Turm zur Katz
Die Künstlerin Susanne Smajic zeigt bis zum 7. April ihre Ausstellung „Fließende Grenze“. Zu sehen sind ihre bunten Kinderbuchillustrationen sowie schwungvolle Tuschezeichnungen aus der Bodenseelandschaft sowie zum Thema Tanz. Unsere Autorin Veronika Fischer hat die Ausstellung eröffnet. Ihre Laudatio gibt es hier zum Nachlesen – und macht Lust auf einen Besuch im Turm zur Katz.
„Ich darf Sie heute herzlich zur Ausstellungseröffnung von Susanne Smajic begrüßen und freue mich, dass Sie so zahlreich erschienen sind. Susanne Smajic hat 2016 hier im Richental-Saal Werke gezeigt – es war ihr zehnjähriges Jubiläum in Konstanz. Sarah Müssig vom Kulturamt hat in ihrer Laudatio damals gesagt, es wäre schön, wenn es nicht nochmals zehn Jahre dauern würde, bis eine weitere Ausstellung zu sehen sei.
Und so feiern wir heute mit dieser Ausstellung – nur drei Jahre später – das 20-Jahr-Jubiläum. Es ist ein kleiner Sprung in der Zeit, aber tatsächlich richtig. Susanne Smajic hat nämlich 1999, also vor zwanzig Jahren, ihr Examen in der Druckgrafik in Münster absolviert. Dort hat sie Druckgrafik, Radierung und Zeichnung studiert und ist diesen Medien bis heute treu geblieben. Nach wie vor fertigt sie alle Arbeiten in Handarbeit, der Computer bleibt aus dem Spiel. Sie selbst nennt sich einen „Dinosaurier“. Vermutlich auch, weil sie diesen so gerne mag. Sie dürfen in der Ausstellung auf die Suche gehen, ein paar davon gibt es in ihren Kinderbuchillustrationen zu entdecken.
Die Faszination für das Buch treibt Susanne Smajic seit jeher an. Sie hat zahlreiche Kinderbücher illustriert und zum Teil auch geschrieben. Diese sind in viele Sprachen übersetzt, und erscheinen auf der ganzen Welt: auf Chinesisch, Dänisch oder auch in Afrikaans. Mit diesen Kinderbüchern arbeitet die Künstlerin auch weiterhin, ihr ist es wichtig, dass ihre Projekte nachhaltig sind. So gibt sie Lesungen, macht Ausstellungen, musikalische Sitzkissenkonzerte mit der Philharmonie, Seminare und Erwachsenenbildung für Pädagogen und Studierende. Sie arbeitet dabei freiberuflich, mit all den bekannten Vor- und Nachteilen. Sie selbst sagt über ihr Künstlerleben, dass es nicht der einfachste Weg ist, den sie geht, aber es ist ihr Weg. So nicht arbeiten zu dürfen, wäre für Susanne Smajic praktisch undenkbar. So zu arbeiten heißt in diesem Fall: frei, nachhaltig und mit sympathischen Menschen, die ebenfalls für das gemeinsames Projekt brennen. Und so entstehen dann eben diese wunderbaren Kinderbücher, von welchen Sie im Erdgeschoss des Turms eine kleine Auswahl finden.
In der ersten Etage des Turms können Sie diesen Entstehungsprozess von Susanne Smajics Illustrationen bestaunen. Von der Skizze, über die Probedrucke bis zu den fertig kolorierten Seiten finden Sie diesen um eine Druckpresse herum arrangiert. Die Skizzen für ihre Arbeiten fertigt Susanne Smajic unter hoher Konzentration an. Sie erklärt das wie die Arbeit einer Regisseurin, die ein Bühnenbild entwickelt. Sie hat einen ganzen Film im Kopf, dessen Szenen sie zu Papier bringt. Der nächste Arbeitsschritt folgt in ihrem Druckgrafischen Atelier im Neuwerk, wo große Druckpressen stehen. Nun werden Metallplatten bearbeitet, geätzt, Radierungen entstehen, von denen unzählige Probedrucke angefertigt werden. Dabei hört Susanne Smajic oft Musik, Hörbücher oder den Deutschlandfunk im Radio. Soll ein Kinderbuch mit Radierungen entstehen, nimmt sie diejenigen Probedrucke der Farbradierungen mit nachhause, in ihr Zeichenatelier, die sich am besten eigenen, um bemalt und koloriert zu werden. Oder sie fertigt Collagen an: Aus Naturbestimmungsbüchern, historischen Spielzeugkatalogen oder alten Geschenkpapieren schneidet sie unzählige Details aus und klebt sie auf die Originale der zukünftigen Bilderbuchseiten. Die fertigen Seiten schickt Susanne Smajic dann an den Verlag, wo sie gescannt und gelayoutet werden.
Die Illustration ist aber nur ein Bereich der künstlerischen Tätigkeit von Susanne Smajic. In den anderen beiden Etagen der Ausstellung präsentiert sie ihre Tusche-Zeichnungen. Die Ausstellung trägt den Titel „Fließende Grenze“ und so zeigt Susanne Smajic zwei Interpretationen dieses Titels.
Im zweiten Stock werden Sie auf einen Sommerspaziergang an die Ufer des Bodensees eingeladen. Es geht vom Hörnle über die Promenade durch den Stadtgarten an den Yachthafen, an den Schweizer Ufern über das Strandbad Kuhhorn nach Ermatingen, Steckborn und Triboltingen hinauf zum Arenenberg, von dort über den Rhein auf die Reichenau.
Bricht der Winter an, geht es aufs Eis. 2017 hat Susanne Smajic den zugefrorenen See zwischen der Insel Reichenau und Hegne als Kulisse genommen. Sie wusste, dass sie im Herbst desselben Jahres ein Zeichen-Stipendium in der schweizerischen Kartause Ittingen erwartet und so hat sie die Stimmungen und Bilder in sich eingesogen und einen Sommer lang konserviert, um sie dort in Abgeschiedenheit und Stille der Atelierklause zu malen. In dem kleinen Mönchshäuschen verbrachte sie sechs Wochen weit ab von Welt und Alltag und dort sind eben diese Tuschezeichnungen entstanden, von denen übrigens nur ein Bruchteil die Wände ziert. In Vitrinen können Sie den Arbeitsplatz der Künstlerin betrachten. Auch in diesem Jahr wird Susanne Smajic nochmals für mehrere Wochen an diesen Ort zurückkehren. „Der ewige Traum eines Künstlers“, sagt sie. „Abseits vom Alltag, von Abgabeterminen, Geldverdienen und dem Funktionieren kann man Ideen fließen lassen, Papierseiten über Tage und Wochen auf dem Boden ausbreiten und einfach nur zeichnen, zeichnen, zeichnen.“
Im obersten Stockwerk des Turms findet sich dann die zweite Interpretation der „Fließenden Grenze“. Es sind Darstellungen von Tänzerinnen und Tänzern, die im Rahmen der Sommerakademie von Wolfgang Mannebach in Trier entstanden sind. Dort wird eine Woche lang, viele Stunden am Tag, gezeichnet. Der Workshop trägt den Titel „Tanz auf dem Papier“ und somit gibt es verschiedenste Tanzende, die in einer großen Säulenhalle zwischen den Zeichnenden ihr Können präsentieren. Vom Ballett, über Standardtänze, Flamenco, Tango, den Paso Doble, den Stocktanz, den Bauchtanz bis hin zu modernen Tänzen und HipHop wird dort alles geboten. Wehende Kostüme, enge rote Kleider, Tücher und glitzernde Paillettenkleider sind Teil davon.
Wolfgang Mannebach leitet die Zeichnenden an. Es gibt drei Sekunden Posen, die eingefangen werden, es wird zweihändig gezeichnet, der Blick fällt nicht aufs Papier, sondern ist bei den Tanzenden, Bilder entstehen in der gleichen Geschwindigkeit wie sich die Modelle bewegen. „Das Zeichnen geht einem in Fleisch und Blut über“, sagt Susanne Smajic, „es bleibt keine Sekunde, um zu überlegen.“ Wolfgang Mannebach ist heute Abend anwesend und wird im Anschluss mit der Tänzerin Sophia Wünsch eine lyrisch-tänzerische Performance in der Tanz-Zeichen-Etage im Turm zur Katz präsentieren.
Sie dürfen mir also gleich folgen und die vielen Treppen hinauf steigen. Dabei werden Sie nicht nur körperlich gefordert, sondern auch in Ihrer Funktion als Kunstbetrachtende: das Ausstellungskonzept beinhaltet nämlich, dass sie als Rezipienten von Etage zu Etage mehr gefragt werden.
Im ersten Stock mit den Illustrationen sind Sie direkt mit den Bildern konfrontiert, die in der Vorstellung der Künstlerin entstanden sind, mit Fantasiewelten, mit nicht zu überprüfenden Inhalten. Ein Stockwerk höher, in der Ittingen-Etage, sehen Sie Darstellungen von Landschaften an den Seeufern. Also Bilder einer real existenten Szenerie, eines Naturschauspiels, die durch die Wahrnehmung der Künstlerin eingefangen und zeichnerisch interpretiert wurden. Und noch eine Etage höher finden Sie Zeichnungen des Tanzes, also einer Kunstform, die ein Gefühl oder eine Haltung ausdrückt. Es ist also eine doppelte Interpretation, die Sie zu sehen bekommen. Die Darstellung einer Darstellung einer Intention. In dieser letzten Etage selbst begrüßt Sie gleich zu Beginn eine zaghafte, figürlich dargestellte Tänzerin und wenn Sie beim letzten Bild angekommen sind, hat sich der Tanz abstrakt aufgelöst in Rythmus, Bewegung und Musik!“
Veronika Fischer (Foto: Anja Mai)