Siggy Davis – Eine Naturgewalt
Allein zwei Musiker, die Jazz- und Soullegende Siggy Davis und ihr musikalischer Begleiter und Mentor Reggie Moore haben am Freitag die Menschen im Stadttheater zum Staunen, Grübeln und Mitsingen gebracht. Mit ihrer autobiografischen Show „Sirens“ erzählte die Sängerin mit einem bunten Potpourri aus Gesang, Schauspielerei und Film über sich, den Jazz und andere weibliche Größen dieser Musikrichtung wie Judy Garland, Aretha Franklin oder Billie Holiday.
Das Bühnenbild bildet lediglich ein schwarzer Flügel sowie eine mit weinrotem Samt bezogene Chaiselongue – wie es sich eigentlich für eine Diva gehört. Doch von Diva-Allüren keine Spur bei Siggy Davis, die in den sechziger Jahren mit dem Namen Sieglinde als Tochter eines amerikanischen Soldaten in Nürnberg zur Welt kam. Natürlich sind die Anekdoten aus ihrem Leben mit großer Sorgfalt ausgewählt. Dennoch erscheint es nicht einstudiert, sondern als würde sie einer guten Freundin in lockerer Atmosphäre davon erzählen. Ihre Geschichte(n) untermalt sie mit pantomimischen, schauspielerischen Elementen, spielt mit ihrer Stimme, die schließlich von einem Augenblick auf den anderen nicht mehr erzählt, sondern singt: Soul, Blues, Boogie, Reggae.
Für die Jazzelemente des Konzerts zeichnet hauptsächlich der erfahrene Pianist Reggie Moore verantwortlich. Seine flinken Finger fliegen regelrecht über die Tasten, er lässt sich auch nicht davon aus der Ruhe bringen, wenn sich die Sängerin während des Liedes plötzlich zu ihm über den Flügel neigt. Ganz im Gegenteil, es scheint als würden die beiden wortlos miteinander kommunizieren und erst an dieser Stelle beschließen, wie der Song weitergeht. Der Klang des Klaviers und Davis Stimme füllen das Theater.
Eine Hommage an Judy Garland bietet ihre einzigartige Darbietung von „Somewhere over the Rainbow“ aus dem Zauberer von Oz. In dem Stück durfte Siggy selbst als Schulkind nicht mitwirken – ihre Lehrerinnen lachten sie aus, als sie sich zum Vorsingen dafür meldete. Aretha Franklins „Amazing Grace“ übte die kleine Siggy stundenlang. Insbesondere bewunderte sie die Barfüßigkeit Franklins auf dem Plattencover. Nach der Pause kommt Davis selbst barfuß auf die Bühne – einfach nur schmerzende Füße oder ein Kunstgriff? Starke (schwarze) Frauen und Emanzipation sind jedenfalls bezeichnend für „Sirens“.
An die Hinterwand der Bühne projizierte Filmausschnitte und Bilder versetzen das Publikum an einen anderen Ort in eine andere Zeit. Abhängig davon, was die Sirene Siggy Davis gerade musikalisch oder sprachlich berichtet, befinden wir uns mal im Sturm auf hoher See oder auf einer Demonstration gegen den Vietnamkrieg in den USA. Zum Bild eines Sonnenaufgangs performt sie ihre Version von „I can see clearly now“ von Johnny Nash. Ihr Mantra: Um etwas erreichen zu können, muss man sich zunächst seiner selbst klar werden. Einen der zahlreichen Höhepunkte der Show bildet wohl ihre Interpretation von Gary Moores „The Blues is Alright“, während der sie die leider nur halb gefüllten Ränge des Konstanzer Theaters zum Mitklatschen und Mitsingen animiert. An alle die, die nicht gekommen sind: Sie haben wirklich etwas verpasst!
Mit ihrer fröhlichen, natürlichen Art bewegt sie nicht nur Menschen, sondern trotzt(e) auch dem Anti-Black-Racism in den USA, auf den sie immer wieder zurückkommt. Doch was beim Zuschauer am Ende vor allem hängenbleibt, ist, dass Siggy Davis die Musik durch und durch geht. Die Bewegungen zu ihren Songs wirken nicht eingeübt, wie bei so vielen Schlagersternchen, nein, sie kommen einfach, sind einfach da. Die Lieder kommen nicht nur aus ihrer Stimme, sondern aus energischen Armbewegungen, auf den Boden stampfenden Füßen und schwingenden Hüften. Man hat nicht das Gefühl, dass Davis ‚nur‘ Musik macht. Sie lebt für die Musik und ist die Musik – eine Naturgewalt eben.
F. Spanner (Foto: www.kleimdesign.de/Davis)