Slam, Slapstick, Sprachkunst

Artem Zolotarov gewinnt den 18. Klein­kunst­preis „Tuttlinger Krähe“ – Preise gehen nach Mainz, Heidelberg, Köln und München – Poetry Slam, (Musik-)Kabarett und „Kabarett mit Humor in Bewegung“ ausgezeichnet – Sonderpreis der Jury für Blömer/Tillack – „Tuttlinger Krähe“ wird ihrem Ruf als einer der wichtigsten deutschen Kleinkunstpreise gerecht.

Die „Tuttlinger Krähe“ geht erstmals seit 2005 wieder nach Mainz: 13 Jahre nach Lars Reichow gewinnt mit Artem Zolotarov (Foto) wieder ein Mainzer mit der begehrten Auszeichnung einen der wichtigsten deutschen Kleinkunstpreise. Der 29-jährige Autor und Poetry Slammer erhielt am späten Sonntagabend den mit 4000 Euro dotierten 1. Preis der Jury und die Siegertrophäe überreicht. Die weiteren Preisträger 2018 sind der Heidelberger Martin Herrmann (2. Jurypreis, Preisgeld 2500 €), das Duo Blömer/Tillack aus Köln (Sonderpreis der Jury, 2000 €) sowie der Münchener Musikkabarettist und Multiinstrumentalist Josef Brustmann, der mit dem Publikumspreis ausgezeichnet wurde und ebenfalls 2000 € Preisgeld gewann.

Alle Preisträger dürfen sich neben dem Siegerscheck auch über eine Bronzeplastik des bekannten Tuttlinger Bildhauers Roland Martin freuen. Die von ihm geschaffene und gestiftete „Krähe“ gilt als einer der schönsten Kleinkunstpreise überhaupt. Alle drei Wettbewerbsabende und das Finale waren erneut ausverkauft.

„Ich bin kein Poet – ich schreibe nur“

„Ich schreibe mit Buchstaben, bilde Silben und lasse sie tanzen, im Rhythmus der Metrik und manchmal einfach so – wild, frei, aussagepflichtig. Ich bin kein Poet, kein Dichter oder Schriftsteller, nein, ich schreibe. Nur.“ Das sagt Artem Zolotarov, 1989 in Donezk in der Ukraine geboren, bescheiden über sich selbst. Seit 2010 schreibt er Gedichte, Kurzgeschichten, Theaterstücke und Songs, hat drei Gedichtbände und eine Textsammlung mit Poetry Slam-Texten veröffentlicht und steht im Mai auch im Finale des Niederrheinischen Kabarettpreises „Das schwarze Schaf“.

Im Laufe der vergangenen Woche hatten sich zwölf Finalisten aus fast 100 Bewerbern an drei ausverkauften Abenden dem Publikum in der Angerhalle in Tuttlingen-Möhringen live präsentiert. In 18 Wettbewerbsjahren seit 2001 war es ganz sicher eines der stärksten Teilnehmerfelder bei der „Tuttlinger Krähe“: „Schon sích zu qualifizieren, war eine Leistung, sich durchzusetzen, bedeutet, einen Preis wirklich verdient zu haben. Verlierer gab es diesmal keine“, so Programmchef Berthold Honeker.

Herz und Hirn gleichermaßen

Für Zolotarov, der 2015 zum rheinland-pfälzischen Poetry Slam Meister gekürt wurde und mit Tiefsinn, Sprachgewalt und Wortgewandtheit, Authentizität und Themenvielfalt punktete, ist die „Krähe“ die wichtigste Auszeichnung seiner noch jungen Karriere. Der gebürtige Ukrainer hatte mit seinem 30-minütigen Auftritt am vergangenen Mittwoch mit Auszügen aus seinem Repertoire am Mittwochabend die Jury überzeugt. Die Juroren lobten den Gewinner 2018 in ihrer Laudatio: „Seine Reime, Bilder, Metaphern berühren Herz und Hirn gleichermaßen und lassen kaum jemanden kalt und unbeeindruckt zurück. (…) große Dichtkunst mit jungenhaftem Schwung, behände, tanzend, mahnend und virtuos, rollend wie donnernd, brodelnd wie flüsternd, familiär und intim, böse blitzend, politisch und sperrig, versöhnlich wie zart.“

Weitere Jurypreisträger sind der 2018 bereits mit dem Publikumspreis und dem Silbernen „Koggenzieher“ in Rostock und dem Kleinkunstpreis Baden-Württemberg bedachte Wahl-Heidelberger Martin Herrmann, der bereits seit 1986 auf den Kleinkunstbühnen der Republik unterwegs ist Der Sonderpreis der Jury ging an das Duo Blömer/Tillack aus Köln. Bernd Blömer und Dirk Tillack erhielten den Preis für einen Auftritt, der gleichermaßen sprachversiert, absurd, ideenreich und poetisch daherkam. Ihre „unverwechselbare Mischung aus Slapstick, Kabarett, Pantomime und Körpercomedy“ machte die beiden für die Jury preiswürdig Den Publikumspreis sicherte sich der Oberbayer Josef Brustmann (63). Erst mit 50 Jahren zum Solokabarett gekommen, streifte er mit schlauen Texten, frechen Liedern und absurder Klugheit durch sein Programm „Fuchs-Treff“, begeisterte als Multiinstrumentalist mit AC/DC auf der Zither und ließ auf der Bühne sogar Drachen steigen.

MM/hpk (Foto: uni Mainz)