Stehende Ovationen für Patricks Trick

Am vergangenen Samstag feierte Miriam Dolds Inszenierung des Jugendstücks „Patricks Trick“ (10+), aus der Feder von Kristo Šagor, auf der Werkstattbühne Premiere. Der Regisseurin und vor allem den beiden jungen Darstellern, Dan Glazer und Tomasz Robak, gelingt es, ein schwieriges Thema kindgerecht, aber auf keinen Fall nur für Kinder, auf die Bühne zu bringen.

Patrick (Dan Glazer) findet bei einem unbeabsichtigten Lauschangriff auf ein abendliches und nicht für seine Ohren bestimmtes Gespräch zwischen seinen Eltern heraus, dass sein ungeborener Bruder (Tomasz Robak) behindert sein wird. Während sich die Eltern noch darüber Gedanken machen, wie sie selbst mit der Situation umgehen wollen und wie sie Patrick beibringen sollen, dass sein Bruder „anders sein wird als die anderen Kinder“, macht sich Patrick ‚hands-on‘ mit seinem Bruder – als Stimme in seinem Kopf – auf die Suche nach einer Antwort auf die für ihn so drängende Frage: „Wie kann ich meinen Bruder helfen?“

Bunte Emotionen

Dass die beiden Brüder sind, merken die Zuschauer sofort: gleiche Hose, gleiche Socken, gleiche Schuhe – nur die Oberteile der beiden Darsteller unterscheiden sich (Ausstattung: Elena Bulochnikova). Um der authentischen Darstellung eines 11-Jährigen wegen trägt Patrick-Darsteller Glazer eine herausnehmbare Zahnspange, die eine deutliche Aussprache sicher wesentlich erschwert; für Glazer aber kein Problem. Die Bühnenausstattung erinnert mit dem himmelblauen Teppichboden, weißen Spielzeugkisten, herumliegenden Bällen und einem weißen, leicht durchschimmernden Vorhang sofort an ein klassisch eingerichtetes Kinderzimmer – selbstverständlich dürfen da auch ein rotes Fahrrad und ein pinkfarbenes Skateboard nicht fehlen. Beeindruckend ist die Multifunktionalität eines Laufstalls als Tafel, Gemüsestand und Boxring, um nur einige Einsatzmöglichkeiten zu nennen. Etwas irritieren dürften anfänglich die bunten Emoji-Kissen (vom gelben Schlaf-Emoji, bis zum braunen Kackhaufen alles dabei), die im Lauf des Stücks jedoch immer wieder bewusst eingesetzt werden. Denn Emotionen gibt es für den Protagonisten reichlich – von der Sprach- und Ratlosigkeit nach dem Belauschen der elterlichen ‚Küchengespräche‘ bis zur Ängstlichkeit, Verzweiflung, Euphorie und Hoffnung, die von Begegnungen mit unterschiedlichen Personen in ihm hervorgerufen werden.

Hohe Dynamik

Durch diese zahlreichen Begegnungen mit Personen, von denen sich Patrick Antworten auf seine Frage erhofft, gewinnt die Inszenierung eine rasante Geschwindigkeit. Kann der Bekannte Daniel Patrick nicht helfen, so nimmt dieser ihn zumindest mit zu seinem Boxtrainer. Der wiederum kennt einen Professor, der eventuell mehr weiß als er selbst und so weiter. Da alle weiteren Rollen, beispielsweise die der Eltern, von Glazer und Robak verkörpert werden – Letzterer übernimmt die Personen, die Patrick trifft, sind sehr schnelle Wechsel erforderlich. Diese gelingen den Darstellern vollumfänglich allein durch die Veränderung von Gestik, Mimik und Sprache. Regelmäßig, teilweise mitten im Satz, fallen die Schauspieler aus ihren Rollen und der jeweiligen Situation heraus, um sich als Patrick und sein Bruder über das unmittelbar Geschehende auszutauschen und das Erlebte zu reflektieren. Patrick tritt dabei immer wieder in Kontakt mit dem Publikum, da er gleichzeitig auch der Erzähler der Handlung ist.

Behindert vs. Normal?

Bei all der komödiantischen Leichtigkeit der Darstellung (wirklich lange nicht mehr so einen heiteren Theaterbesuch verbracht), geht die Ernsthaftigkeit des Themas nicht verloren. Als der Bruder Patrick vor Augen führt, dass „behindert sein“ auch „pausenlos Schreien und Krampfen“ und damit ein Stück weit die vollständige Hilflosigkeit des Umfelds bedeuten kann, ändert sich Patricks Vorstellung von dem heiß ersehnten Brüderchen. Da fragt er sich, was „behindert“ eigentlich bedeutet. Ist das das Gegenteil von „normal“? Doch schnell merkt er, dass jeder etwas anderes „normal“ finden kann und man Personen liebt, ohne genau zu wissen „wie es bei denen im Kopf aussieht“. Wie es nach der Aufführung bei den zahlreichen Kindern im Publikum in den Köpfen aussah und ob die Botschaft des Stücks angekommen ist, kann an dieser Stelle nur vermutet werden. Die Kids schienen durchweg amüsiert und hellauf begeistert, was sich an den stehenden Ovationen zum Abschluss zeigte. Die Inszenierung von „Patricks Trick“ ist jedenfalls besser als „normal“ und bietet eine gute Stunde feinfühlige Unterhaltung.

F. Spanner (Foto: Theater Konstanz)


Weitere Aufführungen in der Werkstatt (Inselgasse) 3.4., 5.4.,6.4.,9.4.,10.4. 12.4. und 27.4., jeweils ab 10 Uhr